Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
Vom Netzwerk:
nichts mehr. Es ist das erste Mal, dass ich weine, seit ich verschleppt wurde.
    Der Kaftan ist nur der Anfang. Man bringt mich an einen Ort, der Hamam genannt wird, eine Art Gemeinschaftsbad. Hier werde ich ausgezogen und in einen sehr heißen Raum geführt. Vor lauter Dampf kann man kaum etwas sehen, doch als ich mich daran gewöhnt habe, erkenne ich viele einheimische Frauen, die splitternackt herumlaufen und nicht mehr Scham empfinden als Eva, bevor sie in den Apfel biss. Manche sitzen, andere hocken und entblößen Spalten, die so haarlos sind wie die eines Kindes. Alle schwatzen in ihrer seltsamen Sprache durcheinander, und das Geschrei und Gelächter hallt von den nahen Steinwänden wider. Wenn ich die Augen schließe, könnte ich mir einreden, in eine Affenkolonie geraten zu sein.
    Die Nacktheit schockiert mich, denn auf der Straße hüllen sich die Frauen von Kopf bis Fuß in wallende Gewänder, an denen selbst die lüsternste Phantasie abprallt. Ich muss meine Einschätzung von diesen Menschen richtigstellen. Wenn das schwächere Geschlecht so schamlos sein kann, wie müssen dann erst die Männer sein, und wie werden sie Frauen wie mich behandeln?
    Die Frauen waschen mir das Haar und schrubben meine Haut. Ich gebe meinen Widerstand bald auf, jedenfalls so lange, bis man mich in ein Vorzimmer führt und mir bedeutet, mich mit gespreizten Beinen auf einen steinernen Block zu legen. Das Stück Stoff, das ich um meine Lenden gewickelt habe, reißt man mir ohne Vorwarnung ab, und die nächste halbe Stunde muss ich die Augen schließen und mich in den stillen Patio von Lalla Zahras Haus zurückwünschen, denn die Demütigungen, denen ich ausgesetzt bin, sind unaussprechlich.
    Als ich mich am Abend in der Privatsphäre meines Zimmers inspiziere, ist meine wunde Haut überall so haarlos wie die von Raffaels Engeln.
    Am nächsten Tag gibt Lalla Zahra mir Anweisung, mich auf die Reise nach Meknès vorzubereiten. Vorher schenkt sie mir noch ein Buch. »Du bist eine gebildete und intelligente Frau, ich glaube, es wird dir gefallen. Versprich mir, darin zu lesen, so oft du kannst.« Dann umarmt sie mich und betrachtet mich eine Weile stumm. Ihre Augen glitzern im grellen Licht.
    Das Buch ist klein und in schlichtes dunkelbraunes Leder gebunden. In meiner Dummheit verwechsle ich es mit einer Bibel und danke ihr für die freundliche Geste. Doch als ich beim Vorsatzblatt ankomme, begreife ich, dass es sich um den L’Alcoran de Mahomet handelt, »übersetzt aus dem Arabischen ins Französische durch Sieur du Ryer, Herr von Malezair und Vertreter des Französischen Königs in Alexandria. Ins Englische gebracht zur Befriedigung aller, die sich ein Bild von den Einbildungen der Türken verschaffen wollen. Gedruckt zu London, Anno Dom. 1649«.
    Das heilige Buch der Heiden, obendrein in London gedruckt! Als ich aufblicke, um meiner Entrüstung Ausdruck zu verleihen, ist sie so leise, wie sie hereingekommen war, schon wieder verschwunden. Ich werfe das anstößige Buch in die Ecke, doch als ich später in den Patio hinuntergehe, liegt es auf dem Beutel mit Kleidern und Utensilien für die Körperpflege, die ich mit auf die Reise nehmen soll.

ACHT
    E s ist Freitag, als wir die Stadt verlassen, der heilige Tag der Mohammedaner. Über die ganze Stadt hinweg hallen die unheimlichen Rufe zum Gebet durch die warme Luft wie die Schreie fremder Vögel.
    Wir sitzen zu dritt in einer verhüllten Kutsche. Die anderen beiden Frauen sind ähnlich gekleidet wie ich, mit bunten Tüchern um den Kopf, doch ihre Kleider sind aus Baumwolle. Wie ich haben sie blaue Augen, wirken aber mit ihren dunklen Brauen und Wimpern fast genauso fremd wie die marokkanischen Frauen. Wir sitzen in lähmendem Schweigen da, während die Karosse durch die schmalen Gassen der Stadt holpert. Einmal ziehe ich den Vorhang beiseite, und ein Sonnenstrahl fällt ins Innere der Kutsche wie ein Messer. Die junge Frau neben mir fährt zusammen und wendet den Kopf ab. Ihre Hände finden keine Ruhe, unablässig fuchtelt sie nervös mit den Fingern herum, als spielte sie mit einem Rosenkranz.
    Die Straßen sind voller Männer, die der nächsten Moschee zuströmen: Männer mit weißen Gewändern und kleinen Mützen auf dem Kopf, Männer mit Tuniken und weißen Hosen, die kurz über den Knöcheln enden, Männer mit Turbanen oder Kapuzenumhängen. Ihre Gesichter sind so braun wie polierte Walnüsse, die schwarzen Augen neugierig. Ihr Blick ist offen, durchdringend, wie bei einem

Weitere Kostenlose Bücher