Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
gesehen, dass mich nichts mehr schockieren kann.«
Trotzdem richtet sich sein Blick neugierig auf mein Geschlecht, während ich mich ausziehe, aber als ich mich aufrichte und ihm in die Augen sehe, schaut er weg. Ich wasche mich und ziehe die frische Leinenhose und das lange graue Gewand an, die er mir reicht.
Sobald ich die feine Seide auf der Rückseite seines Turbans erkenne, weiß ich, wer mein Besucher ist. Er dreht sich um und mustert mich von Kopf bis Fuß. »Ach, Nus-Nus, es bricht mir das Herz, dich in so einem Zustand zu sehen. Man gerät schnell in Vergessenheit, nicht wahr? Man steht im Mittelpunkt des Geschehens und genießt die segensreiche Gunst des Sultans, und im nächsten Augenblick findet man sich im Dunkeln wieder. Es ist kalt da unten, nicht wahr?«
»Seid Ihr gekommen, um mich zu verspotten?«
Der Großwesir lächelt. »Ach, komm, Nus-Nus. Willst du nicht um dein Leben betteln? Du weißt doch, dass ich die Macht hätte, dich zu retten.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Ich glaube nicht, dass mein Leben den Handel wert ist, den Ihr vorschlagen würdet.«
»Du unterschätzt dich.« Er streckt die Hand aus und berührt meinen Schenkel. Seine Finger kneten den kräftigen Muskel, als wollte er ihn zu Brotteig verarbeiten.
Ich zwinge mich, es zu ignorieren. Man wird mir keinen schnellen Tod gönnen, wenn ich versuche, ihn zu töten, und ich weiß, dass der Wächter uns durch einen Spalt in der Tür beobachtet. Er würde mich aufhalten, bevor es mir gelungen ist. Was hatte Zidana noch gesagt? Ein bisschen vom Geist der Senufo . Ich sammle meine Kräfte und versuche, den verlorenen Krieger in meinem Innern zu beschwören.
Seine Hand nähert sich meinen Lenden unter dem Gewand, und ich weiß sofort, dass er das Kleidungsstück mit Bedacht ausgewählt hat. Seine Finger liebkosen mich durch den dünnen Stoff der Hose. Ich werde dich umbringen, falls ich durch ein Wunder überlebe, darauf kannst du dich verlassen.
»Ich würde lieber meine Strafe akzeptieren, als Euer Spielzeug zu sein.«
Er lächelt unangenehm. »Ein unschuldiger Mann ist bereit, einen grauenhaften Tod auf sich zu nehmen, für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat?«
»Was wisst Ihr davon?«
»Genug, um deine undankbare schwarze Haut zu retten. Denk darüber nach, Nus-Nus. Ein Platz in meinem Haushalt, das Beste vom Besten, ein Leben im Luxus. Das oder ein Nagel, der dir von oben in den Schädel gehämmert wird. Ich würde bei dieser Wahl nicht lange zögern. Aber lass dir ruhig Zeit. Ich werde dafür sorgen, dass der qadi deine Hinrichtung noch ein paar Tage aufschiebt, um dir die Möglichkeit zu geben, deine Entscheidung gut abzuwägen.«
»Was ist mit meinem Prozess?«
»Was für ein Prozess? Der qadi hat alles, was er braucht, um deine Schuld beweisen zu können. Es sei denn, er beschließt, dich zu foltern, um einen vollständigeren Bericht über deinen Besuch bei dem Kräuterhändler zu erhalten. Das wäre das Unangenehmste: die Bastonade, die Zangen und die Folterbank zu ertragen, ehe man mit einem Nagel im Schädel verreckt.«
»Als Mitglied des Hofpersonals darf ich nicht ohne entsprechende Genehmigung des Sultans hingerichtet werden«, erwidere ich steif.
Abdelaziz schnaubt verächtlich. »Wusstest du nicht, dass ich derjenige bin, der diese Genehmigungen erteilt, Nus-Nus?«
Schicksalsergeben lasse ich den Kopf hängen.
»Ismail hat deine Abwesenheit nicht einmal bemerkt, mein lieber Junge. Halt, nein, das stimmt nicht: Es ist ihm aufgefallen, dass du dich am ersten Tag verspätet hast, woraufhin er herumbrüllte und nach deinem Kopf verlangte. Seine beiden Haussklaven hat er fast zu Tode geprügelt, als sie sagten, sie wüssten nicht, wo du bist, und danach hat er dich nie wieder erwähnt, vermutlich, weil er glaubt, dass er dich bei einem seiner Tobsuchtsanfälle einen Kopf kürzer gemacht hat. Ist dir dieser seltsame Zug an ihm aufgefallen? Dass er heute jemanden umbringt und morgen so tut, als wäre nie etwas geschehen? Ich kann mich erinnern, wie er Kaid Mehdr grün und blau geprügelt hat, weil es ihm nicht gelang, irgendeine unbedeutende Rebellion im Rif niederzuschlagen. Der Mann verlor ein Auge. Als Ismail ihn das nächste Mal sah, trug er eine Augenklappe. Ismail nahm ihn am Arm und fragte besorgt, wie er denn sein Augenlicht verloren habe. Der arme Mann stammelte irgendeine Ausrede, dass er vom Pferd gefallen sei, und der Sultan überhäufte ihn mit Geschenken, zweifellos, um sein
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