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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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hatte ich erwartet?
    Als ich in den Privatgemächern des Sultans ankomme, stapft er starr vor Wut und Frustration in seinem langen baumwollenen Untergewand auf und ab, hat aber wenigstens keine Waffe in der Hand.
    »Majestät!« Ich lege das Diwanbuch vorsichtig ab und werfe mich auf den Seidenteppichen vor ihm nieder.
    »Steh auf, Nus-Nus«, befiehlt er ungeduldig und zerrt mich am Arm hoch. »Sag der dummen Gans, dass sie sich verdammt noch mal ausziehen soll.«
    Ich rappele mich auf. Alys sitzt zusammengesunken auf dem Diwan des Sultans und hat die Hände vor der Brust verschränkt. Teile eines seidenen Kaftans – sauber und rosenrot, der den befleckten türkisfarbenen ersetzt hat – hängen von ihren Schultern wie abgerissene Hautfetzen. Sie sieht nicht auf, als ich eintrete.
    Ich habe viel willkürliche Gewalt in diesen Räumen gesehen, war Zeuge von unerwarteten Morden, Verstümmelungen und Verletzungen, ich habe hunderte von Entjungferungen, Verführungen und – um die Wahrheit zu sagen – Vergewaltigungen miterlebt, sodass ich eigentlich gegen einen weiteren Fall immun sein müsste, aber das scheint nicht zuzutreffen.
    »Alys.«
    Sie hebt ihren Blick zu mir. »Tut mir leid, dass ich so einen Aufstand mache«, sagt sie.
    »Ihr dürft ihn nicht noch weiter reizen, Alys. Lasst ihn tun, was er tun muss, umso schneller ist alles vorbei.« Die Worte kommen mir entsetzlich vor, noch während ich sie ausspreche. »Legt Euer Gewand ab, Alys.«
    Einen langen Moment sieht sie mir in die Augen. Ich weiß nicht, was ich in der blauen Tiefe lesen soll. Vorwürfe? Enttäuschung? Ärger? Sie ruhen auf mir, als sie die Reste des Kaftans von den Schultern streift. Darunter trägt sie nichts. Obwohl ihr Blick mich nicht loslässt, nehme ich in meinem äußeren Gesichtsfeld jeden Zentimeter ihrer nackten Haut, das zarte Schlüsselbein, die schlanken Oberarme und die üppige Wölbung der Brüste wahr.
    Ismail stößt mich beiseite. »Hör auf zu glotzen, mein Junge. Obwohl ich es dir nicht verdenken kann; sie ist ein Prachtweib, nicht wahr? Bisschen dünn für meinen Geschmack, aber trotzdem ein Prachtweib.«
    Ich könnte schwören, dass er sabbert.
    Der Klang des Muezzins, der die Gläubigen zum fünften Gebet ruft, hallt durch die von Kerzen erleuchtete Luft, und der Sultan zögert. Einen Augenblick lang schließt er die Augen, und ich sehe, wie sich seine Lippen bewegen, als er flüstert: »Vergib mir, o Allerbarmer!« Dann zieht er sich mit einer einzigen Bewegung das Gewand über den Kopf und steht splitterfasernackt da. Ich wende – zu spät – den Blick ab und sehe mehr, als ich wollte.
    Es ist nicht so, dass ich Seine Erhabene Majestät noch nie nackt gesehen hätte. Tausend Mal habe ich ihn in den Hamam begleitet. Ich habe ihm den Rücken geschrubbt oder ihm nach der Jagd die schmerzenden Glieder eingerieben. Er ist drahtig, dieser König; drahtig und zäh. Seine Muskeln erinnern an knorriges Holz. In einem Kampf von Mann zu Mann würde ich ihn wahrscheinlich besiegen können. Doch mit der kleinsten Bewegung strahlt er Macht aus, als wäre er dafür gemacht, König zu sein, obwohl er doch erst vor etwa fünf Jahren den Thron bestiegen hat. Dieser Eindruck ist schon überzeugend genug, wenn er völlig entspannt ist; hat er sich jedoch nicht unter Kontrolle, ist er geradezu überwältigend.
    »Stell dich hinter den Wandschirm und sag ihr, sie soll sich aufs Bett legen, Nus-Nus.«
    Ich spüre Alys’ Blick auf mir, als ich den Raum durchquere und meinen Platz hinter der vergitterten Abtrennung aus Zedernholz einnehme. Er lässt mich nicht los, auch nicht durch die Holzschnitzereien. Mit bebender Stimme sage ich: »Bitte, legt Euch aufs Bett, Alys.«
    Wortlos steht sie auf und lässt den zerrissenen Kaftan auf die Fußknöchel hinabgleiten. Sie müsste verletzlich aussehen, unterlegen, doch ihre Würde ist wie ein Harnisch. Sie dreht sich zu mir um, als wollte sie sich mir darbieten, und ich merke, dass ich den Blick nicht abwenden, ja nicht einmal blinzeln kann. Es ist, als bliebe die Zeit stehen, und selbst mein Herz hängt in der Schwebe zwischen einem Schlag und dem nächsten.
    »Sag ihr, sie soll sich hinlegen, verdammt noch mal«, brüllt Ismail und zerreißt den Zauber. »Auf die Knie.«
    Besonders mit christlichen Abtrünnigen macht er das gern: Er lässt sich ihren Hintern präsentieren, als wären sie Tiere, die er bespringt. Abgesehen vom reinen Geschlechtsakt ist damit jeglicher menschliche Kontakt

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