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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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das ich an jenem verhängnisvollen Tag im souq von Meknès den goldbestickten Kotbeutel in Auftrag gab.
    Es ist viel sagend, dass er die letzte Nacht im Lager mit seiner Hauptfrau verbringt. Ich trage die Details vor dem ersten Gebet am nächsten Morgen ins Diwanbuch ein.
    Noch ehe die Sonne ganz aufgegangen ist, verabschiedet er sich von dem verschlafenen Abdelaziz. »Pass gut auf die Frauen im Harem auf, meine Gattinnen und meine Kinder, bester Freund. Sollte ihnen etwas zustoßen, lasse ich dich von den Maultieren zu Tode schleifen.«
    Die Augen des Großwesirs weiten sich vor Schreck, doch der Herrscher bricht in schallendes Gelächter aus.
    »Dich kann man wirklich leicht zum Narren halten, Abdou!«
    Nach dem Frühstück brechen wir auf: Siebentausend Reiter und fünfzehntausend Fußsoldaten durchqueren den Melwiya an der Furt, während der heiße Atem der Pferde wie Nebelschwaden um uns herumwabert. Als ich mich zum Lager umdrehe, sehe ich nichts als eine Art Geisterarmee, die sich zwischen zwei Welten bewegt.

ZWANZIG
    Ramadân 1088 AH
    I n dieser ersten Nacht tat ich kein Auge zu, weil ich immerzu an den Kuss denken musste, einen Augenblick himmelhoch jauzend, im nächsten schon wieder zu Tode betrübt. Die Qualen übertrafen die Wonne um ein Vielfaches, und noch Tage später bin ich trotz aller Gedanken, die ich mir mache, keinen Deut klüger, obwohl die ungewohnte Aufgabe, darauf zu achten, dass ich nicht vom Pferd falle, mich mit praktischeren Dingen beschäftigt hält. Jetzt, erschöpft von einem langen Tag im Sattel, schlafe ich besser als seit Jahren, trotz der eisigen Temperaturen und des harten Bodens, auf dem ich liege. Die Witterungsverhältnisse in den Bergen sind unbeschreiblich; eine solche Kälte habe ich noch nie erlebt. Alles gefriert: die Haare in meiner Nase ebenso wie die Tränen in meinen Augen oder der Urin. Ich lerne, flach zu atmen, um diese Messerstiche in der Brust zu vermeiden. Der Sultan treibt uns gnadenlos an, besessen von seinem übermächtigen Wunsch, den Aufstand niederzuschlagen. Als klar wird, dass die Gepäckwagen unser Tempo behindern, lässt er ohne Zögern Betten, Tische, Kohlenpfannen und alles andere zurück, was sich nicht problemlos auf ein Maultier packen und transportieren lässt. Er lebt unter denselben Bedingungen wie wir, schläft in einem Umhang auf dem Boden und bekommt die gleiche fade Kost wie wir. Widerwillig muss ich Ismail Respekt zollen, denn er erweist sich als Mann, der Entbehrungen leichter erträgt als seine härtesten Soldaten. Bislang habe ich ihn als Despoten erlebt, als Lüstling, als erhabenen Verrückten, der seine Macht nur ausübte, um seinem Vergnügen und seinen Obsessionen nachgehen zu können. Jetzt sehe ich zum ersten Mal den Mann hinter dem Titel, der sein Leben als jüngerer Sohn eines unbedeutenden Kriegsfürsten begann, weit entfernt vom Zentrum der Macht, und sich seinen Weg zum Thron mithilfe von Verschwörungen und Intrigen erkämpft hat, um ihn dann mutig und entschlossen gegen alle anderen Anwärter und Feinde zu verteidigen. Den Mann, der das Königreich vereinen, seine Grenzen ausdehnen, eine Dynastie begründen und ein großartiges Erbe hinterlassen will. Auch die religiöse Inbrunst, die ihn anfeuert, erkenne ich plötzlich klarer. Sobald der Ramadân beginnt, befolgt er die Fastenregel und setzt sie für sein gesamtes Heer durch. Obgleich unsere hungrigen Körper bei Einbruch der Dämmerung zittern, als litten wir alle an Schüttelfrost, und viele eher von ihren Pferden herunterrutschen als absteigen, zeigt Ismail keinerlei Anzeichen für Unbehagen oder Erschöpfung und sorgt stets dafür, dass die Pferde ordentlich versorgt sind, bevor er sich selbst eine Pause gönnt.
    Als einer der Kaids unbesonnen darauf hinweist, dass wir als musaafir , Reisende, das Recht haben, unser Fasten bis nach Beendigung des Feldzugs zu verschieben, beherrscht Ismail sein Verlangen, den Mann zu enthaupten, und degradiert ihn stattdessen zu einem Maultiertreiber am Ende der Schlange. »Wir befinden uns auf einer heiligen Mission, um Gottes Königreich zu verteidigen!«, wütet er. »Wer braucht Brot, wenn uns sein Wille stärkt?«
    Niemand wagt, ihn daran zu erinnern, dass den Gotteskriegern das Fasten ebenfalls erspart wird.
    Und so ziehen wir mit leerem Magen weiter durch die glasklaren Tage, und die Pferde bahnen sich einen Weg durch den blendend weißen Schnee. Nachts stehen Millionen Sterne über uns, während die Schreie der Schakale durch

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