Die Sklavin mit den Mandelaugen
mich zornig an.
»Hören Sie auf mit dem
Blödsinn, oder ich rufe den Hausmeister und lasse Sie rauswerfen .«
Ich riß den Kugelschreiber
heraus. Die plötzliche Stille war wohltuend.
»Ich muß Osman Bey sprechen«,
verlangte ich.
»Er ist zu Bett gegangen.
Kommen Sie morgen wieder«, zischte Selina. Es gelang mir gerade noch, den Fuß
zwischen Tür und Schwelle zu schieben, bevor sie mir die Tür vor der Nase
zuschlagen konnte.
»Es ist dringend. Sie müssen
ihn herausholen«, sagte ich kalt.
»Das würde ich nicht wagen«,
stotterte Selina. »Ich wollte selbst gerade zu Bett gehen .«
Ich drückte meine Schulter an
die Türfüllung und stemmte sie nach innen auf. Ein unterdrückter Wutschrei
empfing mich, als die Tür auf flog, und plötzlich war Selina verschwunden. Es
war unglaublich, sagte ich mir, während ich über die Schwelle trat. Sie hatte
sich doch nicht einfach in Luft auflösen können. Dann veranlaßte mich ein
zorniges Fauchen, zu Boden zu blicken, und da lag sie.
»Schlagen Sie mich noch
einmal«, forderte mich Selina erbittert auf. »Sie brauchen keine Angst zu
haben. Ich bin ja nur eine Frau .«
»Sie hätten mich gleich
hereinlassen sollen, mein Kind«, erklärte ich milde. Dann nahm ich sie bei den
Händen und zog sie hoch.
Plötzlich bemerkte ich, daß sie
offenbar tatsächlich vorgehabt hatte, zu Bett zu gehen. Sie trug einen
schwarzen Satinbüstenhalter, und die sanft geschwungenen Linien ihrer vollen
Brüste versetzten mich in ehrfürchtige Bewunderung. Dazu ein passendes Höschen
mit einem rüschenartig gerafften Spitzengewirr, das die weiche Haut ihrer
Schenkel streichelte.
»Sie sehen wunderbar aus«,
erklärte ich mit unterwürfiger Bewunderung.
»Und Sie werden herrlich blöd
aussehen, wenn der Hausmeister Sie vor die Tür setzt«, entgegnete sie keuchend.
»Sie haben die Wahl«, meinte
ich großzügig. »Entweder wecken Sie jetzt Osman Bey auf und sagen ihm, daß ich
hier bin, oder ich werde es selbst tun .«
Schatten der Beunruhigung
spiegelten sich in ihren großen braunen Augen, als sie einen Schritt zurücktrat
und mich aus zusammengekniffenen Augen anblickte.
»Er würde mich umbringen, wenn
Sie in sein Zimmer gehen«, murmelte sie. »Aber vielleicht bringt er mich so und
so um. Warten Sie hier, Boyd .«
Sie drehte sich um und schritt
rasch zu einem Seitengang, der anscheinend in die Schlafräume führte.
Wenige Minuten später erschien
sie wieder und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer. Es dauerte nochmals eine
Weile, ehe sie sich wieder blicken ließ.
»Er zieht sich an«, verkündete
sie kurz. »Warten Sie lieber da drinnen .«
Ich folgte ihr in das
Wohnzimmer. Es sah noch genauso aus wie am Tag zuvor, als ich es zum erstenmal
betreten hatte. Die Vorhänge waren noch immer zugezogen. Das schwache Licht
einer Tischlampe ließ es noch düsterer wirken. Die Wasserpfeife stand verlassen
in einer Ecke.
»Es kann eine Zeitlang dauern«,
erklärte das Sklavenmädchen unfreundlich. »Er braucht immer ewig zum Anziehen,
selbst wenn er hellwach ist .«
»Ich habe Zeit im Überfluß«,
erklärte ich.
»Das dachte ich mir .« Sie kräuselte verächtlich die Nase. »Wollen Sie etwas zu
trinken ?«
»Bloß keinen türkischen
Kaffee!« Bei dem bloßen Gedanken an das Gebräu zog sich mein Magen zusammen.
»Ich meinte Alkohol .«
»Whisky mit Eis?«
»Okay, ich hole ihn .«
Ich steckte mir eine Zigarette
an und wanderte durch das Zimmer. Die unbequemen, niedrigen Kissen, die überall
im Raum verstreut waren, verlockten mich nicht, mich hinzusetzen. Nach einer
kleinen Weile hörte ich das leise Rascheln der Spitzen, und Selina trat wieder
ins Zimmer.
Ich trank dankbar meinen
Whisky, während sie mit verschränkten Armen vor mir stand und mich beobachtete.
»Es paßt ihm bestimmt nicht«,
meinte sie schließlich. »Sie haben es noch nie erlebt, wie er ist, wenn er
einen Wutanfall hat, oder ?«
»Wissen Sie, ich habe mir noch
nie viel aus den Wutanfällen anderer Leute gemacht«, erklärte ich.
»Vielleicht wartet diesmal eine
unangenehme Überraschung auf Sie !« In ihrer Stimme
schwangen Schadenfreude und Hohn. »Sie haben ja keine Ahnung, was für Kräfte er
hat .«
»Ich könnte ja zur Not immer
noch aus dem Fenster springen«, sagte ich.
»Das möchte ich sehen«,
erwiderte sie. »Wir sind hier im fünfundzwanzigsten Stockwerk .«
Draußen in der Diele erklang
das Tappen nackter Füße auf dem Parkettboden, und gleich darauf trat Osman Bey
ins Wohnzimmer.
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