Die Sklavin mit den Mandelaugen
Lomax, glaube
ich, mein Vorhandensein vollständig vergessen. Es war also höchst einfach, ihm
seinen Revolver abzunehmen. Der einzige im Raum, der mich daran hätte hindern
können, war Julie Kern — aber er tat es nicht .«
»Und das ist der Zufall ?«
»Teilweise«, sagte ich
geduldig. »Dann ließ sich Julie von mir zusammen mit Lomax widerstandslos in
den Schrank sperren, und auch das paßte nicht ins Bild. Wie gesagt, ich glaube
nicht an Zufälle, und deshalb glaube ich auch nicht, daß Julie Kern rein
zufällig in dem Augenblick das Zimmer betreten hat und daß er rein zufällig
Lomax die Daumenschrauben ansetzte .«
Osman Bey nickte nachdenklich.
»Ja, jetzt wird mir klar, was
Sie meinen .«
»Wer wußte, daß ich gestern abend in den Ottoman Club ging, um mir von Leila Zenta
Auskünfte zu holen ?«
Er dachte einen Augenblick
nach, dann schüttelte er voller Empörung den Kopf.
»Wollen Sie mich etwa
beschuldigen...«
»Nicht Sie«, unterbrach ich
gereizt, »und auch nicht mich. Aber es war noch eine andere Person im Zimmer .«
»Sie meinen...«
Langsam wanderten seine
vorstehenden dunklen Augen von mir zu dem Sklavenmädchen.
»Selina, wen sonst ?« stimmte ich zu.
»Ist denn das die Möglichkeit ?« Osman Bey würgte die Worte mühsam hervor. »Ich habe eine
Schlange an meinem Busen genährt .«
»Ich kann Ihnen ein klares Bild
zeichnen«, fuhr ich fort. »Während Ihrer Liaison mit Leila Zenta waren Sie ein
klein wenig zu vertrauensselig. Das haben Sie mir ja selbst eingestanden. Sie
erwähnten ihr gegenüber, daß Sie von Europa nach New York eine gut
funktionierende Privatverbindung besäßen, die ihnen alle jene Waren liefert,
gegen die der Zoll Einwendungen erheben könnte. Leila gab diese Information an
ihren Freund, Frankie Lomax, weiter. Später erklärt dann Julie Kern Frankie
Lomax, daß er einen sicheren Mittelsmann braucht, um ein Päckchen Ware in die
Vereinigten Staaten zu schmuggeln, das sein Chef aus Europa sendet. Hier sieht
Lomax eine Gelegenheit, rasch und leicht ein lohnendes Geschäft zu machen und
behauptet, daß er Julie Kern eine Verbindung liefern könne, die bombensicher
sei. Danach schließt Frankie mit Ihnen einen kleinen Handel ab, der auch Ihnen
einen Gewinn garantiert, und macht Sie mit Julie Kern bekannt. Stimmt es soweit ?«
»Richtig.« Osman Bey nickte
unglücklich. »Der Anfang all meiner Sorgen.
»Julie weiß, daß das Päckchen
Diamanten enthält, die unter Brüdern ihre zweihunderttausend Dollar wert sind«,
fuhr ich fort. »Er ist überzeugt, daß Lomax nur ein Gelegenheitsgauner ist, der
es nicht wagen würde, ihn hinters Licht zu führen. Aber Lomax ist ja auch nur
der Vermittler. Sie jedoch sind der Mann, der die Abwicklung des Geschäfts in
die Hand genommen hat, und über Sie weiß er gar nichts. Deshalb gelangt Julie
zu dem Entschluß, Sie überwachen zu lassen, und zwar von einer Person, die sich
ständig in Ihrer Umgebung aufhält und über jeden Ihrer Schritte unterrichtet
ist. Es gilt für ihn also folgendes Problem zu lösen: Wie ist es möglich, Sie
so genau überwachen zu lassen, ohne dabei Ihren Verdacht zu erregen? Er zieht
Erkundigungen über Sie ein, und Leila Zenta erzählt ihm von Ihrer Schwäche für
Bauchtänzerinnen. Damit war das Problem gelöst. Es machte nicht die geringsten
Schwierigkeiten, ein kleines freundschaftliches Kartenspiel mit Ihnen zu
arrangieren und ein bißchen zu mogeln. Als Kern am Schluß tausend Dollar
verloren hatte, kam sein großer Auftritt. Er bedauerte, daß er leider im
Augenblick pleite sei, daß er aber bereit sei, Ihnen etwas anderes zu geben, um
seine Schuld zu begleichen - dieses Mädchen beispielsweise, das angeblich
unbedingt Bauchtänzerin werden will .«
»Eine Schlange habe ich an
meinem Busen genährt«, wiederholte Osman Bey verstört.
Selina hob mit einer abrupten
Bewegung den Kopf. Ihr Gesicht zeigte Beunruhigung.
»Hören Sie mal zu, alle beide«,
ihre Stimme zitterte, »ich würde Ihnen raten, keine vorschnellen Schlüsse zu
ziehen .«
»Dann würde ich Ihnen raten,
uns einfach die richtigen Antworten auf unsere Fragen zu geben«, schlug ich
sanft vor. »Wer ist beispielsweise >Der Boß<, von dem Julie Kern immer
spricht ?«
»Das weiß ich nicht«, erklärte
sie kleinlaut.
Ich packte ihr Handgelenk und
drehte ihr den Arm um, bis sie vor mir in die Knie ging.
»Selina, mein Schatz«, sagte
ich vergnügt, »mir tut das überhaupt nicht weh. Und ich möchte, daß Sie immer
daran
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