Die Sklavin mit den Mandelaugen
Während er schweigend an mir vorüberging, warfen mir seine
dunklen Augen einen wütenden Blick zu, der mir unmißverständlich zu verstehen
gab, wie unwillkommen ich war. Neben seiner Wasserpfeife blieb er stehen und
ließ sich auf das große Sitzkissen fallen, das daneben stand.
»Ich brauche Kaffee !«
Er zischte dem Sklavenmädchen
die drei Worte ins Gesicht. Selina fuhr schreckhaft zusammen.
»Ich mache welchen«, versprach
sie zitternd und rannte aus dem Zimmer. Ich folgte den schwingenden Bewegungen
ihrer Hüften, bis sie die Tür hinter sich schloß.
»Ich finde, Sie haben ein gutes
Geschäft gemacht, als Ihr Schuldner Ihnen Selina überließ«, stellte ich
nüchtern fest.
»Haben Sie mich etwa um diese
Zeit aus dem Bett holen lassen, um die körperliche Schönheit eines
Sklavenmädchens zu bewundern, das mir gehört ?« erkundigte sich Osman Bey mit zornbebender Stimme.
»Nein, es handelt sich um etwas
anderes .«
Ich drehte den Kopf und
betrachtete ihn eingehend.
Auch Osman Bey hatte sich in
den letzten vierundzwanzig Stunden nicht verändert. Das lange schwarze Haar war
noch ebenso ölig, und der kleine Spitzbart wirkte ebenso lächerlich. Er trug
noch immer dasselbe blaue Seidenhemd über seinem Schmerbauch und dieselben
grünen Hosen, deren Nähte an den Schenkeln zu platzen drohten. Wenn er seine
Zehen bewegte, spiegelt sich das dämmrige Licht in dem silbrigen Lack der
Nägel.
»Ich habe einen unerträglichen
Tag hinter mir«, erklärte er heftig und mit Nachdruck. »Ein Tag, der selbst die
Seele eines Heiligen in Aufruhr gebracht hätte. Vier Stunden demütigenden
Verhörs und degradierender körperlicher Folterung von den Händen meines einst
hochverehrten Kompagnons, Abdul Murad. Mögen Kamelherden die Grabstätten seiner
Vorfahren zertrampeln. Als er mich verließ, um Sie aufzusuchen, floh ich in das
Straßen- und Häusermeer der Stadt, um seinem ungerechten Zorn zu entrinnen.
Stundenlang schleppte ich mich durch die glühend heißen Straßen unter dem
Strahl der erbarmungslosen Sonne. Bis die Nacht hereinbrach. Dann kehrte ich
erschöpft in mein Heim zurück, suchte die süße Ruhe des Schlafes und mit ihm
Vergessen .«
Seine fetten Hamsterbacken
schlotterten vor Wut.
»Und da kommen Sie in mein Haus
gestürmt, klingeln wie ein Wahnsinniger, wie ein idiotischer Hausierer, der
keine Waren zu verkaufen hat. Sie reißen mich aus den barmherzigen Armen meines
Schlummers und zwingen mich, in die bedrückende Welt der Lebenden
zurückzukehren. Wozu?«
»Jetzt, da Abdul Murad in New
York ist, war ich der Ansicht, daß es Sie noch mehr interessieren würde, welche
Fortschritte ich gemacht habe«, meinte ich.
»Möge Allah in Ewigkeit auf
Ihren rasierten Schädel speien«, versetzte er mit erstickter Stimme. »Warum
kann das nicht bis morgen warten ?«
»Weil zuviel geschehen ist«,
entgegnete ich. »Mir ist bereits viel zuviel geschehen .«
Mit Armesündermiene kehrte
Selina ins Zimmer zurück und servierte Osman Bey seinen Kaffee. Er nahm ihr mit
einer heftigen Bewegung die Tasse aus der Hand und begann mit dröhnender Stimme
zu schimpfen.
»Du !« rief er donnernd. »Du Verkörperung aller fleischlichen Sünden. Du hirnlose
Idiotin. Du — du hast ihn hereingelassen .« Seine Augen
verdrehten sich, flehenden Blicks starrte er zur Zimmerdecke. »Möge Allah dich
in alle Ewigkeit dazu verdammen, auf einem spitzen Schwert zu sitzen, zu deinen
Füßen Eunuchen mit messerscharfen Klingen und unstillbarem Hunger, die nur auf
den Augenblick warten, da du fällst.«
Das Sklavenmädchen stöhnte
jammervoll auf und wich so hastig vor dem Fluchenden zurück, daß sie das
Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. In der nächsten Sekunde hatte sie
sich auf den Bauch gedreht und kroch mit einer unglaublichen Geschwindigkeit
zur Tür.
»Warten Sie, Selina«, rief ich.
Das niedliche Hinterteil in dem
schwarzen Satinhöschen zuckte noch ein paarmal, dann blieb das Mädchen
bewegungslos liegen.
»Sie gehört mir, D. Boyd«,
erinnerte mich Osman Bey mit scharfer Stimme. »Ich allein bin befugt, ihr zu
sagen, wann sie zu gehen hat und wann sie bleiben soll .«
»Sie bleibt«, widersprach ich
knurrend. »Ich möchte, daß sie das Folgende hört .«
»Sie...«, begann er stammelnd.
»Sie widersetzen sich meinen Befehlen .«
»Ach, halten Sie den Mund und
trinken Sie Ihren Kaffee«, schrie ich ihn an. »Und wenn Sie nicht endlich
aufhören zu reden und mir statt dessen zuhören, dann sitzen wir die
Weitere Kostenlose Bücher