Die Sklavin mit den Mandelaugen
ganze Nacht
noch hier, das kann ich Ihnen versichern .«
Einen Augenblick lang dachte ich,
die dunklen Augen würden ihm aus dem Kopf fallen. Dann grunzte er irgend etwas Unartikuliertes in sich hinein.
»Ich werde zuhören«, entschied
er schließlich mit schneidender Stimme. »Danach sind Sie vielleicht ein toter
Mann .«
»Befassen wir uns doch der
Reihe nach mit den Problemen«, schlug ich friedfertig vor. »Selina, tun Sie mir
einen Gefallen und stehen Sie auf. So wie Sie jetzt daliegen, wirken Sie wie
eine verwirrte Klapperschlange .«
Das Sklavenmädchen rappelte
sich eilig hoch und blieb mit gefalteten Händen und demütig gesenktem Kopf
stehen.
Ich berichtete beiden von
meinen Erlebnissen. Angefangen am Abend zuvor, als ich Leila Zenta in ihrer
Garderobe im Ottoman Club aufgesucht hatte. Ich erzählte von Frankie
Lomax’ unerwartetem Auftauchen und seiner Weigerung, mir zu glauben, daß ich
für Osman Bey arbeitete, und fügte hinzu, daß er hartnäckig behauptet hatte,
ich sei von Corlis geschickt worden.
»Corlis?« Osman Bey zupfte
behutsam an seinem Ziegenbart. »Wer ist Corlis ?«
»Darauf werde ich gleich kommen«,
erklärte ich kühl. »Es ist wichtig, daß ich alles der Reihe nach erzähle .«
»Wie Sie wollen«, stimmte er
zu. »Ich liebe es nur nicht, wenn ich mit Dingen konfrontiert werde, die ich
nicht verstehe .«
»Ich weiß genau, was Sie
fühlen«, erklärte ich. »Sperren Sie weiter Ihre Ohren auf, es wird nämlich noch
verwirrender .«
Ich fuhr mit meinem Bericht
fort, erzählte, wie plötzlich Julie Kern erschienen war und Lomax drohend
klargemacht hatte, was der Boß mit ihm machen würde, wenn er nicht entweder die
Ware oder den Gegenwert in bar innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden
herbeischaffen würde. Wie es mir gelungen war, mich Lomax’ Revolver zu
bemächtigen, und wie Leila sich freiwillig dazu bereit erklärt hatte, mir zu
beweisen, daß Marta Murad nicht im Lokal gefangengehalten wurde. Wie sie mir den anderen Gefangenen gezeigt hatte und wie wir
feststellten, daß der Mann tot war.
Die Einzelheiten meiner
gelungenen Flucht aus dem Ottoman Club ließ ich aus und setzte meinen
Bericht bei meiner Zusammenkunft mit Matthew Corlis und der Verabredung, ihn
abends in seinem Haus in Long Island aufzusuchen, fort. Es kostete mich einige
Zeit, über diesen ereignisreichen Besuch ausführlich zu berichten, doch ich
überging nichts. Ich erklärte, wie ich ziemlich spät herausgefunden hatte, daß
Beatrice, also Mrs. Corlis, und nicht Mr. Corlis der Kopf der Bande war,
berichtete von den Leuten, die ich in dem Haus getroffen hatte und davon, daß
Beatrice angenommen hatte, ich sei von Frankie Lomax zu ihr geschickt worden,
um ihr einen Handel anzubieten. Schließlich erwähnte ich auch noch ihre
Vorschläge - halbe-halbe für sie und Lomax — und ihr Verlangen, fünfzig Prozent
der Beute zu erhalten, bevor sie ihre Hälfte des Handels beisteuerte. Am Schluß
fügte ich noch eine kurze, genaue Beschreibung des Hauses und der Hunde hinzu.
Osman Bey starrte mich
verständnislos an, während er gedankenvoll seinen Bart strich. Selina stand
noch immer in derselben Haltung da wie zuvor, als ich mit meiner Geschichte
begonnen hatte.
»Es — es ist erstaunlich, D.
Boyd«, erklärte Osman Bey schließlich mit leiser Stimme. »Eine unglaubliche
Geschichte, aber offensichtlich wahr. Es kann sich nicht um ein
Phantasiegebilde handeln. Sie haben hart für mich gearbeitet, und ich muß Sie
dafür loben. Nun sagen Sie mir, welche Schlüsse Sie aus den geschilderten
Vorkommnissen gezogen haben .«
»Verschiedene«, antwortete ich.
»Ein Mensch, der von Natur aus so mißtrauisch ist wie ich, glaubt nicht an den
Zufall .«
»Zufall?« Er runzelte zweifelnd
die Stirn. »Worin sehen Sie einen Zufall, D. Boyd ?«
»In der Abstimmung der Zeiten«,
brummte ich. »Frankie Lomax hatte gerade ausreichend Zeit, um sich bei mir
einzuführen, als Julie Kern auf der Bildfläche erschien .«
»Ich bin immer noch verwirrt«,
gestand Osman Bey. »Erklären Sie mir das bitte näher .«
»Kern betrat das Zimmer genau
im richtigen Moment«, erklärte ich. »Durch sein Auftauchen wurde meine
Gegenwart für Frankie Lomax ziemlich lästig und peinlich. Lomax befand sich
Kern gegenüber von Anfang an in einer geschwächten Position. Dann spielte Julie
sehr geschickt seine Trümpfe aus und machte dabei auch aus seiner Verachtung
für Lomax keinen Hehl. Als er endlich fertig war, hatte Frankie
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