Die Sklavin mit den Mandelaugen
»beobachtete ich ihn von früh bis abends, und nachts
haben wir den Strom, durch den die Maschine betrieben wird, abgestellt. Den
Schlüssel habe ich immer versteckt. Aber an den Nachmittagen...« Er starrte sie
an. »Die Nachmittage«, fuhr er fort, »hat er mit Ihnen verbracht .«
»Immer.« Beatrice nickte
mechanisch wie eine Marionette. »Jeden Nachmittag.«
»Wirklich ?« fragte Matthew Corlis mit sanfter Stimme. »Wenn ich mich recht erinnere, habt
ihr beide doch ab und zu gewisse Vereinbarungen getroffen, nicht wahr? Sei
nett, Micky, und sei ein bißchen lieb zu deiner kleinen Beatrice, dann darfst
du dir den Anzug kaufen, der dir so gefällt .«
»Na ja!« Die Maske über ihrem
Gesicht zersprang plötzlich, und die Gefühle, die sich in ihren Augen
widerspiegelten, ließen keinen Zweifel an dem, was sie empfand. »Ja, wir haben
manchmal dumme Spiele dieser Art gespielt, aber Micky ist niemals...«
»Manchmal«, Matthews Stimme
klang so unbefangen, als mache er müßige Konversation, »manchmal legte er die
Bedingungen eurer Vereinbarungen fest, meine Liebe, und manchmal legtest du sie
fest .«
»O ja, natürlich.« Ihr Kopf
neigte sich nach vorn. »Wir hatten beide soviel Spaß dabei .«
»Und Sie müssen von Haß gegen
sich selbst verzehrt worden sein, Michael, weil Sie nicht den Mut hatten, sich
gegen sie aufzulehnen, nicht wahr ?« fragte Matthew.
»Eine Frau, die dreißig Jahre älter ist als Sie — eine widerliche, bösartige
Frau.«
»Ja«, der Junge nickte
unsicher. »Manchmal lag ich bis zum Morgengrauen wach und schmiedete Pläne, wie
ich sie umbringen könnte. Aber sie war ja immer der Boß. Ich wußte, daß es mir
vielleicht nie wieder so gut gehen würde. Sie können sich sicher vorstellen,
wie das ist ?«
»Ja, es geht bis zu einem
gewissen Punkt«, bestätigte Corlis ernst, »und dann muß man es einfach
loswerden, weil das Maß voll ist .«
»Sie haben’s erfaßt .« Das Gesicht des Jungen belebte sich plötzlich. »Aber
immer muß man handeln und handeln. Immerzu und immer wieder. >Hör zu<,
pflegte ich zu ihr zu sagen. >Ich kann dir ein prima Geschäft vorschlagen. Morgen nachmittag tue ich alles,
was du sagst — ohne Widerrede. Aber laß mich nur heute
nachmittag eine lumpige Stunde lang mit der ekligen kleinen Hexe allein,
die sich einbildet, sie ist zu gut für mich, und dann werde ich — dann werde
ich...<«
»Ich dachte es mir«, sagte Corlis
schlicht.
Mit schreckgeweiteten Augen
wich der Junge zurück, als Murad den Revolver aus seiner Tasche zog und ihn
langsam hob. Er gab drei Schüsse ab, und als die letzten beiden Kugeln ihr Ziel
trafen, schnellte der Körper des Jungen in einer wilden Konvulsion über den
Boden.
Leila wurde ohnmächtig und
glitt zu Boden. Zu Lomax’ Füßen blieb sie liegen, doch er bemerkte es gar
nicht. Murad senkte seine Waffe einen Augenblick, dann drehte er sich mit einer
steifen Bewegung nach Beatrice um. Als sie den Ausdruck seiner Augen erblickte,
schrie sie angstvoll auf und rannte torkelnd zu ihrem Mann.
»Matthew!« Ein
leidenschaftlicher Wille zu leben verzerrte ihr Gesicht. »Matthew! Rette mich !«
»Dich retten, meine Liebe ?« Er lachte plötzlich mit echter Belustigung. »Wozu, um
alles in der Welt?«
Mit wedelnden Armen schob sie
ihn zur Seite und raste zur Tür. Murad wartete geduldig, bis sie sie erreicht
hatte, dann gab er zwei weitere Schüsse ab. Ihr breiter Rücken krümmte sich
qualvoll, während ihre Arme noch immer wild um sich schlugen, in einem letzten
ohnmächtigen Versuch, durch die Tür ins Freie zu entrinnen. Dann fiel sie
zurück. Dumpf schlug ihr schwerer Körper auf den Boden. Ihr Kopf kam auf
Michaels Brust zur Ruhe.
Murad blickte auf die beiden
Toten nieder und lächelte unbestimmt. Dann schob er den Lauf seines Revolvers
in den Mund und schoß.
»Der arme Kerl«, sagte Tino von
plötzlichem Mitleid überwältigt, als er auf ihn hinuntersah.
»Wenn Sie jemanden betrauern
wollen, Tino, dann betrauern Sie seine Tochter, aber nicht ihn«, meinte ich.
»Was soll das heißen, Boyd ?« erkundigte sich Lomax mit schneidender Stimme.
»Er hatte nicht nur Kummer und
Schmerz zu leiden, Frankie, sondern er hatte auch Schuld auf sich geladen,
Schuld am Tod seiner Tochter .«
»Wie meinen Sie das ?« fragte er verständnislos.
»Als er mich engagierte, gab er
vor, Osman Bey zu sein. Ich sollte nicht nur die Tochter seines
Geschäftspartners für ihn finden, sondern auch die verschwundenen Diamanten. Er
konnte mir
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