Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
lauerte der Feind. Ich vergaß meine wunden Pfoten und machte einen Satz, wie ihn wohl noch kein Löwe jemals vollbracht hat. Da sprangen aber auch schon zwei riesige Tiger auf den Weg. Sie wollten mich packen, flogen aber knapp an mir vorbei und prallten aufeinander. Hättet ihr gesehen, wie sie sich rauften! Sie gaben sich wohl gegenseitig die Schuld, daß ihnen die Beute entgangen war . . .
Der Wald dröhnte von ihrem Gebrüll, Haarbüschel flogen auf die höchsten Bäume. Ich hatte aber keine Zeit, mich an dem Schauspiel zu ergötzen, und machte, daß ich fortkam. Nun rannte ich, so schnell ich konnte, bis der Tigerwald hinter mir lag. Das war die dritte und größte Unannehmlichkeit, die mir unterwegs zustieß", schloß der Löwe seinen Bericht. Am nächsten Tag kam Kaggi-Karr. Sie sah sehr verstört aus, und Charlie zweifelte nun nicht mehr daran, daß sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet hatten. „Sprich!" sagte er barsch zur Krähe.
Diese wagte es nicht, die Wahrheit zu verheimlichen, und erzählte alles. Die Zuhörer waren sehr bekümmert, als sie erfuhren, daß Urfra über die Ankunft Ellis im Wunderland Bescheid wußte. Als die Krähe das verstimmte Gesicht Ellis sah, sagte sie gequält: „Ja, ich bin an allem schuld! Aber verzeiht mir, Freunde! Ich will alles wiedergutmachen und euch so in die Smaragdenstadt führen, daß Urfins Spione nichts erfahren..." Charlie und Elli erinnerten sich, daß Kaggi-Karr sie schon einmal - in der Wüste - vor dem sicheren Tod gerettet hatte, und waren ihr nicht böse.
Nun war die Krähe wieder guter Dinge und begann zu erzählen, was sie alles in der Smaragdenstadt gesehen und gehört hatte.
DIE BEFREIUNG DER KÄUER
Der Löwe lag, den Bauch nach oben, im Gras und Ließ sich von Elli die Pfoten salben. Der Seemann ordnete das Gepäck im Rucksack und verstaute Werkzeug, Nägel, Schnüre und was er sonst noch brauchte in seinen Taschen.
Dabei entglitt ihm eine runde, flache Dose, die neben Elli auf die Erde fiel. Das Mädchen, das gerade nach dem Fläschchen Öl langte, trat auf die Dose, und plötzlich schwirrte ein langes glitzerndes Band auf den Löwen zu.
Flink wie alle Tiere des Waldes machte dieser einen gewaltigen Satz zur Seite, ins Gebüsch.
„Was ist mit dir?" rief Elli.
„Eine Schlange! Eine Schlange !" knurrte der Löwe hinter den Büschen und lugte ängstlich nach dem Band, das jetzt unbeweglich im Gras lag.
Elli brach in Gelächter aus.
„Mein Lieber, das ist ja das Sandmaß von Onkel Charlie", sagte sie, als sie wieder zu Atem kam. „Na, wie soll ich dir's erklären, es ist ein Stahlband, mit dem man Längen mißt." „Wie, ist es nicht lebendig?"
„Natürlich nicht."
Elli nahm das Ende des Bandes in die Hand und hielt es dem Löwen vor die Augen. Der mußte seinen ganzen Willen aufbieten, um nicht Reißaus zu nehmen.
„Warum hat es dann gezischt?"
Elli schob das Band in die Dose, drückte auf den Knopf, und wieder flog es zischend heraus. Der Löwe zitterte am ganzen Körper, blieb aber, wo er war. Der Mut, den er von Goodwin bekommen hatte, wirkte!
Es vergingen mehrere Tage. Die Pfoten des Löwen waren verheilt, man konnte endlich aufbrechen.
Unseren Freunden, besonders dem Seemann, verkrampfte sich das Herz bei dem Gedanken, daß das Land der Käuer in der Gewalt des habgierigen Kabr Gwin und seiner Holzsoldaten verbleiben würde.
„Bei allen guten Winden!" rief Charlie, „wir müssen die braven Käuer befreien! Auch dürfen wir nicht vergessen, was die Kriegswissenschaft lehrt, mit der ich mich auf den Meeren vertraut gemacht habe: Du sollst den Feind nicht hinter dir lassen, damit er dir nicht in den Rücken fällt!"
Charlie konnte es natürlich nicht mit allen Holzsoldaten gleichzeitig aufnehmen, denn die Übermacht wäre zu groß gewesen. Nur einzeln war ihnen beizukommen. Aber wie, wo sie doch immer zugweise unter dem Kommando eines rotfratzigen Unteroffiziers marschierten.
Der Seemann beriet sich mit den Käuern und faßte schließlich einen Plan. Ihm war eingefallen, daß er früher das Lasso wie ein Cowboy zu handhaben wußte.
Kurz vor Sonnenuntergang meldete sich bei Kabr Gwin, der auf dem Gut von Prem Kokus lebte, ein Käuer und bat um ein Gespräch unter vier Augen.
„Verehrtester Herr Statthalter!" sagte er leise. „Hört uns auch niemand? Ich will Euch nämlich ein großes Geheimnis verraten!"
„Sprich!"
„Ich habe herausbekommen, daß ein reicher Kaufmann einen Sack mit Gold in seinem Haus
Weitere Kostenlose Bücher