Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
sollten, und niemand war da, der ihnen hätte befehlen können.
Dann lasen sie die Reste ihres Kommandanten auf und traten den Rückweg an. Als sie in die Stadt kamen, meldete einer der Polizisten dem Obersten Zeremonienmeister, was sich zugetragen hatte. Ruf Bilan wurde weiß im Gesicht wie die Wand. Bis zu diesem Augenblick hatte er immer noch gehofft, daß man die Flüchtlinge einfangen würde. Dann hätte er den ganzen Vorfall vor dem König verheimlichen können. Jetzt aber mußte er diesem melden, daß die Gefangenen, die Urfin so kostbar waren, geflohen und überdies noch der Polizeichef umgekommen sei, den der Herrscher für seinen Eifer und seine Gewandtheit so sehr geschätzt hatte.
Nach Entgegennahme des Berichts sagte Urfin finster:
„Das sind die Streiche des verdammten Mädchens, dieser kleinen Fee namens Elli. Die Flüchtlinge sind verschwunden, sagst du?"
„Spurlos, o mächtiger König der Smaragden . . ."
..Faß dich kürzer!" brüllte Urfin.
„Zu Befehl! Das Schlimmste aber ist, daß die Verfolger absichtlich irregeführt wurden, und das ist schon eine richtige Verschwörung!"
Urfin unterließ es, den Polizeichef zu reparieren, und der Koch Baluol warf dessen Überreste in den Herd, wo sie lichterloh brannten.
Nachdem Charlie Black sich vergewissert hatte, daß die Flucht von Din Gior und Faramant geglückt war, führte er seine Schutzbefohlenen die Turmtreppe hinunter. Die drei bemühten sich, kein Geräusch zu machen. Es kostete den Eisernen Holzfäller aber große Anstrengung, durch die kleine Öffnung in der Tür zu schlüpfen. Dann zogen sie den geschwächten Scheuch hindurch, dessen Kleider jetzt fürchterlich aussahen.
Jubelnd empfing der Löwe nach der langen Trennung seine Freunde. Beim Anblick der jämmerlichen Figur des Scheuchs, der sich kaum noch auf den Beinen hielt und fast nichts mehr sehen und hören konnte, fing er jedoch vor Mitleid zu weinen an.
Dafür war jetzt aber keine Zeit, man mußte sich sputen. Der Holzfäller brach noch schnell eine Eisenstange aus dem Treppengeländer, die ihm als Waffe dienen konnte, und die Schar setzte sich in Bewegung.
Als sie sich der Öffnung näherten, von der man das Land der unterirdischen Erzgräber sehen konnte, mahnte Charlie seine Gefährten zur Vorsicht. Es konnte ja sein, daß der Krieger mit dem fliegenden Drachen den ungebetenen Gästen auflauerte, um ihnen mit gut gezielten Pfeilen den Garaus zu machen. Als sie den Platz erreichten, von dem aus Elli und der Seemann gestern noch das sonderbare Leben der Erzgräber beobachtet hatten, stieß Charlie einen Ruf des Staunens aus: Die Öffnung war verschwunden. Die Erzgräber hatten einen runden Stein in das Loch hineingetrieben und nicht einmal eine kleine Ritze freigelassen.
Vom Sechsfüßer war nichts zu sehen. Hatte er sich nach dem gestrigen Kampf in einen Winkel des Labyrinths verkrochen, oder waren die unterirdischen Erzgräber inzwischen dagewesen und hatten ihn gefangengenommen?
Aber wer konnte wissen, ob in den finsteren unterirdischen Gängen nicht noch andere Sechsfüßer lauerten?
Der Seemann war indessen unbesorgt, wußte er doch, daß der Eiserne Holzfäller im Handumdrehen mit jedem Ungeheuer fertig werden würde. Freilich befürchtete er eine Falle, die die Erzgräber ihnen bereitet haben konnten. Erst am nächsten Morgen, als er Elli, Din Gior und Faramant erblickte, atmete er erleichtert auf.
Vor allem mußte der Scheuch wieder instand gesetzt werden, denn seine Kleider waren zerrissen und aus allen Löchern kam faules Stroh zum Vorschein. Seine Gesichtszüge waren verwaschen, und auch das Gehirn hatte unter der Feuchtigkeit des Kellers stark gelitten.
Elli machte sich an die Arbeit. Sie trennte dem Scheuch den Kopf ab und hing ihn an einen hohen Ast zum Trocknen, was bei dem lauen Wind und der heißen Sonne sehr schnell geschah. Dann flickte das Mädchen das Kleid des Strohmanns, wusch es im Bach und breitete es auf den Büschen aus.
Als alles trocken war, stopfte Elli den Rock, die Hosen und die Stiefel mit frischem Stroh aus, das Faramant von einem Nachbarfeld geholt hatte, und setzte den Kopf mit dem durchlüfteten Gehirn auf seine alte Stelle. Dann nahm sie Farbe und Pinsel und begann die Augen aufzumalen, die sogleich zu zwinkern anfingen.
„Halt still, du machst ja alles futsch'." schrie Elli.
„Kn . . . Sor . . . Sor . . . chn . . . Mund...", lispelte mühsam der Strohmann.
Er wollte sagen: ,.Keine Sorge, mach mir nur schnell den Mund."
Als
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