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Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schneyder
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Tanzlehrer, gleichbleibend elegant, »dann wird es wohl besser sein, wenn Sie den Kurs ein andermal machen.« Der schöne Tanzschüler drehte auf der Stelle um und verließ den Raum.
    Der Tanzlehrer ließ kein Nachdenken über das eben Geschehene zu. Er stellte die Paare um und gab seine Anweisungen.
    »Sie haben mir damals sehr imponiert, Sie wollten nichts wissen, haben nicht gebohrt, haben die Situation einfach beendet.«
    Weise lächelnd wandte sich der Tanzlehrer dem Showmaster zu.
    »Haben Sie eine Begründung für das Verhalten dieses Tanzschülers?«
    »Ich weiß den Grund. Er hat mich Jahre später einmal angesprochen. An einer nächtlichen Theke. In Frauenkleidern.«
    »Ja, so was kam vor«, sagte der Tanzlehrer.
    »Verzeihen Sie mir, wenn ich jetzt vielleicht ein wenig grob frage«, sagte der Showmaster. »Aber als was haben Sie sich gefühlt in Ihrem Beruf, als Pädagoge, als Maître de plaisir, als Kuppler?«
    »Als Tanzlehrer. Es war mein Beruf. Tanzlehrer.«
    Ja, das war diese Selbstverständlichkeit, die ihn so unangreifbar gemacht hat, dachte sich der Showmaster. Deshalb habe ich es nie komisch gefunden, wenn er gesagt hat: laaang, laaang, kurz, kurz, und Seitenschritt. Und wenn er federnden Schrittes seine Frau in den Arm nahm und eine Figur vortanzte. »Ihre Frau ist –?«
    »Schon lange«, sagte der Tanzlehrer. »Die hatte ein Bandscheibenleiden, kein Wunder nach der vielen Herumhüpferei. Sie musste operiert werden, es ging nicht anders, und da hat man sie verpfuscht. Ich hab kurz daran gedacht zu prozessieren, aber davon wäre sie ja auch nicht mehr lebendig geworden.«
    »Nein«, sagte der Showmaster.
    »Sie sind verheiratet, mehrfach wohl, wenn man den Journalen glauben kann.«
    »Zum dritten Mal. Zum dritten Mal ist die Ehe im Arsch.«
    Der Tanzlehrer lächelte.
    »Ich habe mir oft gedacht, wenn sich die Paare so gegenübergestanden sind, du liebe Zeit, das kann was werden!«
    Die Tanzschule war eine in sich stimmige Welt, das registrierte der Lange. Hier hatte auch einer mit einem zu kleinen Kopf seinen Platz, denn, ehrlich gesagt, von den Mädchen waren auch nicht alle so, wie man sie sich für den Tanzkurs erträumt hatte.
    Als der Tanzlehrer zum Langen sagte: »Tanzen Sie das einmal vor«, schämte sich der Lange vor seiner Partnerin, denn er glaubte in der Sekunde, er hätte so gepatzt, dass er jetzt wiederholen müsse und seine Partnerin, seines Ungeschickes wegen, mit zur Wiederholung zwinge. Aber da hörte er den Tanzlehrer sagen:
    »Lassen Sie den Kopf oben, Sie bewegen sich sehr gut. Die anderen größeren Herren sollen sich das gut ansehen. Man kann auch mit so langen Haxen elegant tanzen!«
    »Ich verdanke Ihnen viel«, sagte der Showmaster.
    »Übertreiben Sie nicht«, erwiderte der Tanzlehrer. »Ich habe keine Komplimente mehr nötig.«
    »Ich verdanke Ihnen wirklich sehr viel.«
    Das Selbstvertrauen des Langen wuchs allmählich. Er genoss die Nähe der weiblichen Haut, freute sich am Sonntagnachmittag, in der
Perfektion
, wenn die einen Mädchen vor seiner fordernden Männlichkeit indigniert zurückwichen und die anderen, unbewegten Gesichts, die Sache pressend genossen. Er liebte das Drängen im Hausflur der Tanzschule, als besprochen wurde, wer noch wohin zu gehen beabsichtigte, er liebte dieses Streunen im Nebel, durch die schwach beleuchteten Seitenstraßen, den Nachgeschmack an Abschiede in dunklen Ecken.
    Er hatte sich bald klare Ziele gesetzt. Es gab in diesem Tanzkurs eine Schönheit, einige sehr hübsche, originelle Mädchen, aber streng genommen nur eine Ausnahme-Schönheit, eine Fee, die war zudem noch die einzige Tochter des Besitzers mehrerer Hotels. Der Lange genoss es, mit ihr zu tanzen und ihr zu zeigen, wie man sich auch
mit langen Haxen elegant bewegen
kann, aber er verschwendete keinen Gedanken an eine etwaige Eroberung. An dieser Schönheit hingen die gutaussehenden Söhne der besseren Häuser. Das war eine Liga, da konnte der Lange nicht mitspielen. Er hatte etwas ganz anderes im Auge: eine, bei der er nach menschlichem, aber noch unroutiniertem Ermessen würde landen können.
    Es war falsch, mich damals nicht um die Spitze bemüht zu haben. Ich habe mich freiwillig beschieden, zum
loser
gemacht. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich einmal
Showmaster
sein werde, ein Beruf, der mit Töchtern von Hotels sehr gut korrespondiert, selbst wenn sie Feen sind. Ich glaube, hätte ich die Fee bekommen, alles wäre anders gelaufen.
    »Können Sie sich am Ende gar

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