Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
würde sie später danach fragen. »Aber sie werden merken, dass jemand versucht, zu ihnen durchzudringen …« Das Muster verschwand, und ein
Mann in violetten und gelben Gewändern erschien in dem Spiegel. Sein hellbraunes Haar war mit grauen Strähnen durchzogen und scheinbar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. In Katan schien es Mode zu sein, dass Männer ihr Haar lang trugen.
»Du! Du wagst es …« Der Mann brach ab und starrte die neben Saber sitzende Kelly aus dem Spiegel heraus an. »Eine Frau !?«
Kelly unterdrückte den Drang, ›Nein wirklich? Und ich dachte, ich wäre eine Kumquat!‹ zurückzuzischen. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie bezwang sich. Ihre Freundin Hope, die ihr häufig Predigten über Takt und Diplomatie gehalten hatte, wäre stolz auf sie gewesen. Die Freundin fehlte ihr mehr, als Kelly sich eingestehen mochte.
»Wir haben jetzt keine Zeit, um über diese Angelegenheit zu debattieren, Oberster Magier«, fuhr Saber fort, während der andere, ältere Mann noch immer vor Wut zu schäumen schien. »Ein Schiff ist aus einem unbekannten Land namens Mandare aus dem Osten nach Nightfall gekommen und in der östlichen Bucht vor Anker gegangen. Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Fremden diese Insel ohne unsere Zustimmung besetzen wollen, und wir glauben, dass sie über Waffen verfügen, denen man mit gewöhnlicher Magie nicht beikommen kann. Sie könnten versuchen, Nightfall mit Gewalt einzunehmen, und wenn ihnen das gelingt, könnten sie nach Katan weiterziehen, um sich dort noch weitere Gebiete unrechtmäßig anzueignen.«
»Wenn das euer durch eine Frau ausgelöstes Unheil ist, dann seht zu, wie ihr damit fertig werdet. Hindert sie selbst daran, Nightfall einzunehmen!«
»Selbst wenn wir sie erfolgreich von der Insel vertreiben, besteht immer noch die Gefahr, dass sie in Katan einfallen«, mischte sich Kelly ein und lenkte so die Aufmerksamkeit des älteren Mannes auf sich, ehe dieser den Kontakt
abbrechen konnte. »Sie sind auf der Suche nach Land und Reichtümern, und sie wirken, als seien sie zu allem entschlossen.«
»Dann haltet sie augenblicklich auf oder sterbt bei dem Versuch. Und betet, dass niemand, der weniger nachsichtig ist als ich, je herausfindet, dass eine Frau auf der Insel lebt!«
»Werdet Ihr uns helfen, ihren Eroberungsfeldzug zu vereiteln?«, fragte Saber, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Es ist euer Problem, das habe ich schon einmal gesagt. Katan will mit euch nichts zu tun haben.«
Kelly schoss mit einem Mal ein Gedanke durch den Kopf.
»Dann erteilt Ihr uns also die offizielle Erlaubnis, diese Sache auf unsere Weise zu regeln?«, hakte sie nach. Ihr Mann und seine Brüder maßen sie mit fragenden Blicken. »Ihr gebt jeden Anspruch auf Nightfall und all seine Probleme und eventuellen Triumphe auf?«
»Tut, was immer ihr wollt; Nightfall ist kein Teil Katans mehr. Und nehmt nie wieder Kontakt mit dem Rat der Magier auf!« Der Mann am anderen Ende der Spiegelverbindung schnippte ärgerlich mit den Fingern, woraufhin das Bild erlosch und nur noch Sabers Gesicht zu sehen war.
»Was für eine elende Ratte«, murmelte Kelly.
»Angst verändert die Menschen«, erinnerte Morganen sie. »Wir sind nun also vollkommen auf uns allein gestellt, wie es in der Prophezeiung der Seherin Draganna vorhergesagt wird – übrigens, Kelly, wurden in der Geschichte deiner Welt solche Eroberer jemals aufgehalten und wie?«
»Durch größere Macht und Stärke … oder durch die Vortäuschung größerer Macht und Stärke«, fügte sie hinzu. Ihre Gedanken überschlugen sich, als eine Idee in ihrem Kopf Gestalt annahm. »Ihr werdet mir noch sehr dankbar dafür sein, dass ich auf einer gründlichen Säuberung der Burg bestanden habe.«
»Hast du einen Vorschlag?«, fragte Saber.
»Worauf du wetten kannst. Wir müssen ihnen den Eindruck großer Macht vermitteln – ihnen vorgaukeln, dass wir ihnen haushoch überlegen sind und sie in einem Kampf nur unterliegen können. Zeig uns noch mal den Burschen in den auffälligen Kleidern«, wies sie ihn an. »Seht ihr ihn? Wisst ihr, was seine Kleider mir verraten?«
»Dass er einen grauenhaften Geschmack hat«, schnarrte Dominor.
»Ja, von deinem Standpunkt aus betrachtet vielleicht, die katanische Mode ist eher schlicht, bequem und praktisch. Sein Modestil besagt in meinen Augen, dass in seiner Kultur Äußerlichkeiten ein hoher Stellenwert beigemessen wird, zumindest in den oberen Schichten. Die gewöhnlichen
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