Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
Seeleute sind alle der Arbeit entsprechend gekleidet, die sie zu leisten haben. Dieser Mann ist der Leiter der Expedition – ein Edelmann vermutlich, aber auf jeden Fall sehr wohlhabend.
Er steht rangmäßig deutlich über den anderen Männern; so weit, dass er sich der Kluft zwischen ihnen übermäßig bewusst zu sein scheint, sonst hätte er der Bequemlichkeit halber auf ein paar Kleiderschichten verzichtet. Er genießt auch ganz offensichtlich die Gunst dieses Königs Gustavo, in dessen Namen er die Insel in Besitz nehmen will. Und dass er sich trotz der Sommerhitze und des Umstandes, dass er nicht damit rechnen konnte, hier auf Menschen zu treffen, so prunkvoll kleidet, beweist, wie wichtig ihm Statussymbole sind.«
»Was wiederum den Schluss nahelegt, dass er sich nur jemandem unterwirft, von dem er denkt, dass er einen deutlich höheren Rang als er selbst bekleidet«, spann Saber, der begriffen hatte, worauf sie hinauswollte, den Faden weiter. »Die Frage ist nur, ob er einen Grafen und eine Gräfin als höherrangig anerkennt.«
Kelly schüttelte den Kopf. »Das wird nicht ausreichen.
Er könnte gut ein Herzog sein, für einen Prinzen halte ich ihn nicht. Wir sollten erwägen, uns zu König und Königin auszurufen …«
»Das ist unmöglich!«, entfuhr es Saber. »Kein Bürger Katans kann sich selbst zum Herrscher ernennen, wenn ihn nicht sein Geburtsrecht dazu ermächtigt.«
»Der Rat der Magier hat uns gerade eben jegliche Zugehörigkeit zum Reich Katan abgesprochen«, warf Morganen hilfreich ein.
Saber schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich kann nicht. Ich kann mich nicht selbst zum König ausrufen, selbst wenn das die einzige Möglichkeit wäre, die Arroganz dieses Menschen zu brechen. Ich werde es nicht tun!«
»Schön. Das musst du auch nicht. Ihr seid alle meine Zeugen.« Kelly schlug die Beine übereinander, faltete die Hände im Schoß und straffte sich. »Ich ernenne mich hiermit zu eurer rechtmäßigen Königin. Da ich nicht aus Katan stamme, schulde ich Katan auch keinerlei Loyalität. Ich unterstehe auch nicht den katanischen Gesetzen und den katanischen Gesellschaftsstrukturen, Traditionen und Bräuchen, also spricht nichts dagegen. Außerdem habt ihr alle wie auch ich selbst gehört, wie ein rechtmäßig eingesetzter Repräsentant der katanischen Regierung alle Ansprüche auf Nightfall und seine Bewohner aufgegeben hat.
Daher betrachte ich von nun an die Insel Nightfall mit allem, was sich darauf befindet, als mein Königreich und ihre momentanen Bewohner, als da zu nennen sind mein Mann und Prinzgemahl sowie seine sieben Brüder als meine rechtmäßigen Untertanen. Nicht zu vergessen die Hühner im Hühnerhaus«, fügte sie der Gerechtigkeit halber hinzu. Die Hühner waren grässliche Geschöpfe, unberechenbar und jederzeit bereit, mit ihren spitzen Schnäbeln zuzuhacken, nichtsdestotrotz gehörten sie zum Haushalt der Brüder – gewissermaßen. »Was den Rest unseres
›Volkes‹ betrifft … wir können vorgeben, sie stünden unter einem Schutzzauber, der sie unsichtbar macht, um zu erklären, dass die Invasoren sie bislang noch nicht zu Gesicht bekommen haben.«
Saber schloss die Augen. Er wusste, wie sonderbar diese Frau aus einer anderen Welt sein konnte, aber dies ging eindeutig zu weit. »Kelly … das kannst du nicht tun.«
»Sie hat es gerade getan, Bruder, und niemand hier erhebt irgendwelche Einwände.« Morganen klopfte seinem ältesten Bruder auf die Schulter. »Und jetzt, wo das Unheil da ist und der Rat davon erfahren hat, wird auch niemand vom Festland Widerspruch einlegen. Ich persönlich halte es für eine großartige Idee«, fügte er hinzu. »Wir haben eine Frau, die sich mit den Waffen dieser Eindringlinge und ihren Verhaltensweisen ein wenig auskennt, und wir haben eine Burg, die zugleich ein Palast ist – ein sehr beeindruckender Palast, vor allem jetzt, wo alles gesäubert und frisch getüncht ist. Und wir können genug Illusionen schaffen, um ihn mit Dienstboten und Gästen zu bevölkern, bevor die Fremden unseren Schutzwall aus Trugbildern entdecken und durchbrechen.
Ich gratuliere Euch zu Eurem neuen Königreich, Majestät.« Der Jüngste der acht verneigte sich anmutig vor seiner Schwägerin. »Ich stelle mein Wissen und meine Fähigkeiten in Eure Dienste.«
»Ich ebenfalls.« Trevan schien die Vorstellung zu gefallen.
»Ich desgleichen«, grinste Koranen.
»Ich verneige mich lieber vor dir, die du mich hast ›Staub schlucken‹ lassen, als
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