Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
paar nicht aktivierte Lichtkugeln standen in ihren Halterungen in den Ecken, und eine große Stahlscheibe, allem Anschein nach ein Gong, hing in der Mitte von der Decke herab. Überall Schwarz, Schwarz und nichts als Schwarz – Kelly fand, dass Rydan etwas übertrieb, aber so war er nun einmal.
Saber griff nach einem lederumwickelten Stab, der an der Wand lehnte.
»Ich bin hier drüben, Bruder.«
Saber und Kelly fuhren erschrocken herum. Rydan stand in dem tief in die Wand eingelassenen, nach Südosten hinausgehenden Fenster. Da seine schwarzen Kleider und sein schwarzes Haar mit den schwarzen Vorhängen verschmolzen, hatten sie ihn nicht bemerkt.
»Rydan, Trevan ist …« Kelly brachte es nicht über sich, diesem sie immer ein wenig einschüchternden Mann zu berichten, was geschehen war. Schließlich war es ja gewissermaßen ihre Schuld – wenn man an die Macht des Schicksals glaubte.
»Glaubst du, ich wüsste es nicht, wenn mein eigener Zwilling verwundet wird?«, murmelte der das Licht meidende Magier, während sein Bruder und Kelly ihn unsicher musterten, weil sie nicht wussten, wo sie anfangen sollten.
»Dominor wurde von den Mandaritern entführt«, erklärte Saber, ließ den Stab fallen und trat zu seinem jüngeren Bruder. Kelly folgte ihm. »Trevan versuchte zu Dom zu gelangen, und da haben sie auf ihn geschossen. Trev hat es noch fast bis zum Ufer geschafft, sodass Evanor ihn an Land ziehen konnte, aber er war schwer verletzt. Seine Wunde wird heilen, und er wird sich dank einer Blutspende meiner Frau auch wieder erholen.«
Kelly streckte eine Hand aus und berührte Rydan flüchtig am Arm, woraufhin er sie so überrascht ansah, als wäre er Körperkontakt seit langem nicht mehr gewöhnt – was durchaus möglich sein konnte, da Kelly noch nie gesehen hatte, dass einer seiner Brüder ihn umarmte oder ihm auf die Schulter klopfte. Eigentlich traurig, dachte sie. »Es tut mir leid, Rydan. Ich hatte gleich eine böse Vorahnung, habe sie aber verdrängt, dabei hätte ich die ganze Katastrophe verhindern können. Aber mir scheint das Unheil wirklich auf dem Fuß zu folgen.«
Seltsamerweise entlockte das dem schwarzhaarigen Mann ein lautes Lachen. Oder vielleicht war es gar nicht so seltsam. Bei Rydan musste man stets auf alles gefasst sein. Sabers verwirrtem Gesicht nach zu urteilen verstanden ihn noch nicht einmal seine eigenen Brüder wirklich. Rydan lächelte leise. »Vielleicht lässt das Unheil nach diesem Geständnis ja von dir ab, und wir anderen können unser Bestes tun, um unseren eigenen Schicksalen zu entgehen.«
»Viel Glück dabei«, knurrte Saber, was ihm einen Rippenstoß seiner Frau eintrug.
Rydan schüttelte den Kopf. Sein schwarzes Haar fiel
ihm über die Schultern. »Ich könnte einen Sturm hinter ihrem Schiff herschicken, aber dann gehen wir das Risiko ein, dass Dominor ertrinkt. Wie nimmt es sein Zwilling denn auf?«
»Schlecht«, erwiderte Kelly, die sich daran erinnerte, wie blass und verhärmt Evanor ausgesehen hatte.
»Er pflegt Trevan. Er gibt sich die Schuld daran, seinen eigenen Zwilling verloren zu haben; vielleicht hilft es ihm ja, sich dafür um deinen zu kümmern«, fügte Saber hinzu.
Rydan nickte. »Ich werde Morganen und Evanor helfen, einen speziell für die Suche nach Dominor eingerichteten Spiegel anzufertigen. Aber da er nicht hier ist, wird sich das schwierig gestalten, zumal der Spiegel die größtmögliche Reichweite haben muss. Aber früher oder später werden wir ihn finden. Und dann wird Evs Gesang zu ihm durchdringen, sodass er weiß, dass er nicht allein ist.« Er wandte sich zum Gehen, doch vorher sah er seine Schwägerin noch einmal an. »In der Zwischenzeit dürfte er relativ sicher sein, wenn wir uns auf die Prophezeiung verlassen können.«
»Ich hoffe es aus tiefstem Herzen.« Kelly erschauerte, als ihr wieder bewusst wurde, dass sie den Rest ihres Lebens in diesem von Magie erfüllten Reich verbringen würde. Sie sah ihren Mann an, der daraufhin nach ihrer Hand griff und ihr stumm Zuspruch spendete.
Obwohl er manchmal eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit war, die seine Brüder Kelly zuteil werden ließen, konnte er es Rydan nicht verübeln, dass er sich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen schien. Kelly hatte irgendetwas an sich, was seinen wortkargen, einzelgängerischen Bruder aus seinem selbst gewählten Schneckenhaus lockte – nur ein wenig, aber immerhin. Das allein wog schon den Umstand auf, dass seine restlichen Brüder der einzigen
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