Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
Behutsam, durch einen Zauber davor geschützt, dass sein Tun entdeckt wurde, setzte er die Suche nach seinem Wild in den einst vertrauten Hallen fort. Es war höchste Zeit, die zweite Phase ihres Schicksals einzuleiten.
24
I ch dachte, du wolltest mich verlassen.«
Bei diesem rau hervorgestoßenen Geständnis biss sich Kelly auf die Lippe. Es schmerzte sie, ihn, wenn auch unabsichtlich, verletzt zu haben … der beste Beweis dafür, dass ihre jüngste Erkenntnis richtig war. Sie liebte ihn wirklich. Auf dem Treppenabsatz, auf dem sie zum ersten Mal miteinander gekämpft und sie zum ersten Mal gesehen hatte, wie eine Tür sich von selbst öffnete und schloss, hielt sie ihn fest und sah zu ihm auf. »Saber, ich habe dir etwas zu sagen.«
Das war es dann wohl . Er hatte seit letzter Nacht, seit er sie gedrängt hatte, ihm ihre wahren Gefühle für ihn zu gestehen, ein ungutes Gefühl; er hatte die Unsicherheit, das Zögern in ihrer Stimme gehört. Er hob ihr Kinn zu sich empor, sah ihr in die Augen und schloss dann seine eigenen. »Wenn du wirklich wieder nach Hause möchtest, werde ich dich nicht aufhalten. Vielleicht … vielleicht kann wahre Liebe manchmal doch einseitig sein.«
Kelly starrte ihn ungläubig an. Sie konnte nicht fassen, dass er sie gehen lassen wollte. Gerade als sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, ihr ganzes Leben mit ihm zu verbringen, machte der Schuft einen Rückzieher! Ihre Wut verlangte nach einem Ventil … und sie fand es, indem eine ihrer Hände hochfuhr und sie mit ihm das tat, was sie einst mit seinem jetzt verschwundenen Bruder getan hatte.
Sie wandte den Granny-Doyle-Griff an.
»Au!« Saber verzog das Gesicht, als sich ihre Finger mit aller Kraft in sein Ohr gruben. Sie riss seinen Kopf zu sich herunter, bis sich ihre Stirnen beinahe berührten.
»Ich liebe dich, du großer Trottel!«, brüllte sie ihn an. Es brachte sie zur Weißglut, dass er bereit war, sie einfach aufzugeben. »Das war es, was ich dir sagen wollte!« Sie ließ sein Ohr los, packte seine Tunika und ließ ihrem Zorn weiter freien Lauf. »Und wenn du glaubst, ich würde dich aufgeben, indem ich weggehe, dann bist du ein Idiot.«
Er starrte sie fassungslos an.
»Du hast richtig gehört, ein Idiot! Hier ist jetzt meine Heimat, Saber, vergiss das niemals!«, grollte sie, ihn näher an sich heranziehend, bis ihre Nasenspitzen gegeneinanderstießen. » Meine Burg! Mein Königreich! Mein Mann! Ist das klar?«
Saber fand noch immer keine Worte.
Kelly packte seine beiden Ohren und küsste ihn.
Diese besitzergreifende Geste drang schließlich zu ihm durch. Er schlang die Arme um ihre Taille, schwang sie durch die Luft, bis er mit dem Rücken gegen die Wand taumelte, und erwiderte ihren Kuss voller Leidenschaft. Sie war seine Frau, und er musste ihr glauben – so, wie sie geschrien hatte, fiel ihm das nicht schwer. Zwischen zwei Küssen stieß er hervor: »Kelly – Jinga – ich liebe dich so sehr!«
»Mmh – ich dich auch«, murmelte sie. Ihre Lippen streiften sein glattes Kinn, dann löste sie sich mit einem tiefen Seufzer von ihm.
Saber zog den Kopf zurück und lehnte sich gegen die Steine hinter ihm. »Was ist denn?«
»Wir müssen Rydan sagen, was passiert ist.« Kellys Gesicht umwölkte sich. »Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich am liebsten gleich hier auf dem Boden lieben würde – dabei habe ich mehr oder weniger das ganze Unheil über euch gebracht. Dominor, Trevan, die Mandariter …«
»Seinem Schicksal kann man nicht entrinnen«, erinnerte er sie, drückte sie kurz an sich und stellte sie dann wieder
auf die Füße. »Es wäre alles ohnehin so gekommen.« Er griff nach ihrer Hand und zog sie die Treppe hoch. »Wir können uns nicht dagegen wehren, auch wenn wir es noch so sehr versuchen. Unser uns von einer wahren Seherin prophezeites Unheil musste uns früher oder später ereilen. Komm jetzt, wir sagen es meinem Bruder gemeinsam.«
Es dauerte nicht lange, von Morganens Turm im Osten zu Trevans im Nordosten und dann zu Rydans im Norden zu gelangen, wo die nördlichere der beiden Bergketten am höchsten vor der Burg aufragte. Saber führte Kelly von der Brustwehr in einen Raum, der auf einer Ebene mit dieser lag, den einzigen, den Rydan seinen Brüdern und jetzt auch seiner Schwägerin zu betreten gestattete.
Die Fenster waren alle mit schwarzen Samtvorhängen verhängt, nur durch eine schmale Schießscharte fiel ein dünner Lichtstrahl in den dämmrigen Raum. Ein
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