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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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Untertaille passte ihr und sah robust genug aus, um nicht gleich Risse zu bekommen, wenn sie tief einatmete. Sie würde sich als Unterhemd verwenden lassen, war aber zu dünn, um als mittelalterliches Tanktop durchzugehen.
    Während sie den Stapel weiter durchsah, unterdrückte Kelly ein Seufzen. Sie fand keine einzige Hose. Sie hatte nichts gegen Röcke, zog aber Hosen bei weitem vor. Die Kleidungsstücke waren alle unterschiedlich groß; Saber hatte vermutlich einfach eine Auswahl zum Anprobieren für sie zusammengesucht. Es gab tatsächlich nur Röcke und Kleider. Sie streifte ihren Schlafanzug ab, schlüpfte in die kleinere der voluminösen Unterhosen und zog das Zugband fest, das prompt knirschend zerriss, sodass ihr die Hose von den Hüften rutschte. Das Band des größeren Exemplars riss gleichfalls, was ihr ein ärgerliches Schnauben entlockte.
    Sie beförderte die Wäschestücke mit einem Tritt in eine Ecke des Raumes und überprüfte behutsam die Schnüre der Korsetts. Die des kleinsten und des mittleren rissen, die des größten hielten endlich. Kelly schnürte alle drei auf, hielt sie sich an und schätzte grob ab, welches die richtige Größe hatte, um ihre Brüste zu stützen – obwohl sie so dünn war, konnte sie sich in diesem Punkt nicht über mangelnde Rundungen beklagen – und zog die intakten Schnüre des größten Korsetts ein. Dann streifte sie es über ihr ärmelloses Hemd. Zum Glück wurde es vorne geschnürt. Und zum Glück kannte die Kleidung dieser Welt und dieser Zeit zumindest ansatzweise Methoden, die Brust einer Frau zu halten.
    Statt Fischbeinstäbchen verliefen bei diesem Kleidungsstück eingesetzte steife Filzstreifen von der Brust bis zu den Hüften, dennoch diente es als brauchbarer BH-Ersatz, obwohl es im Moment noch ein wenig locker saß. Und
im Gegensatz zu den ihr bekannten Miedern und Korsagen war es mit Schulterträgern versehen, die einen Teil des Gewichts trugen, statt nur auf Halt durch Druck zu setzen.
    Als Nächstes probierte sie die Röcke und Blusen an. Anders als die aus schlichtem beigefarbenem Musselin gefertigten Wäschestücke bestanden diese aus hellem pastellfarbenem Stoff und waren teilweise am Saum mit Blumenmustern bestickt oder mit Bändern verziert. Eines der Kleider spannte um ihren Oberkörper und war ihr entschieden zu lang, das andere war viel zu weit und rutschte ihr ständig von den Schultern – vor allem, weil auch hier die Schnüre sofort gerissen waren.
    Kelly verdrehte die Augen. In puncto Schnüre hatte sie heute scheinbar kein Glück. Sie wusste zwar, wie man sie herstellte, aber ihr fehlte das dazu notwendige Material. Seufzend überprüfte sie die Größe der restlichen Kleider.
    Auch von den Blusen hatte keine die richtige Größe. Die Röcke passten besser. Sie entschied sich für einen, der allerdings ihre Knöchel und die Hälfte ihrer Waden freigab – für katanische Verhältnisse geradezu skandalös, wie sie annahm, nur dass sie sich nicht daran störte. Die Blusen waren bis auf eine, die jedoch mit so vielen Stockflecken übersät war, dass sie sie gar nicht erst anprobieren mochte, samt und sonders zu klein.
    Resigniert zog Kelly die Sachen wieder aus und schlüpfte in die bodenlangen Hemden. Eines passte, nur die Ärmel waren zu eng, und der Saum reichte ihr nur bis knapp zum Knie. Die anderen hingen wie Säcke an ihr und schleiften über den Boden. Und was die am ältesten aussehenden Stücke, die Übergewänder, betraf, so waren sie allesamt viel zu lang, selbst wenn sie in der Ära, aus der sie stammten – welche auch immer das gewesen sein mochte – der herrschenden Mode entsprochen hatten. Sie konnte sie jedenfalls so nicht tragen. Die Sachen waren alle ähnlich geschnitten
wie die, die sie und die »Freunde des Mittelalters« möglichst detailgetreu zu kopieren pflegten, aber es gab genug Unterschiede, die es ihr unmöglich machten, genau zu bestimmen, welcher Zeit und Kultur sie zuzuordnen waren.
    Unter Zuhilfenahme von Zähnen und Fingernägeln, was ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm, gelang es Kelly, die Nähte an den Ärmellöchern des kurzen Hemdes aufzuribbeln und die Ärmel abzutrennen. Mit dem kurzen Rock und dem Korsett-BH darunter würde das Kleidungsstück als sommerlich leichte ärmellose Bluse durchgehen; im Gegensatz zu der Untertaille war es wenigstens nicht allzu durchsichtig. Hoffentlich entsprach es den in dieser Welt üblichen Ansprüchen der Schicklichkeit, den ihren genügte es auf jeden Fall. Es

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