Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
musste eben reichen bis sie die anderen Kleider mit den versprochenen Nadeln und dem Garn umgeändert hatte. Hoffentlich dachten ihre beiden Gastgeber daran, ihr auch eine Schere mitzubringen.
Mit dem von seinen Ärmeln befreiten Hemd über dem Arm kehrte sie der Tür den Rücken zu, als sie die Angeln quietschen hörte. Kelly schnappte nach Luft, zog sich hastig das Hemd über den Kopf, zerrte es so weit hinunter, dass es ihre Schenkel bedeckte, und fuhr zu dem Eindringling herum. Saber stand mit einer kleinen Truhe in den Händen auf der Schwelle. Seine geweiteten, leicht verwirrt blickenden Augen hafteten auf ihrem Körper.
»Hast du schon mal was von Anklopfen gehört?«, fauchte sie. Das Blut schoss ihr in die Wangen, als er fortfuhr, sie anzustarren.
Der dunkelblonde Mann blinzelte, dann schob er sich ganz in den Raum. Sein Bruder folgte ihm. Auch Evanor errötete leicht, als er sie nur mit einem Hemd bekleidet erblickte, auch wenn es sie von den Schultern bis zu den Knien bedeckte. Er legte die Tuchballen, die er bei sich trug, auf den Tisch, stieß seinen Bruder an, damit dieser
die Truhe abstellte, und zog ihn mit sich aus dem Raum, ohne ein einziges Wort zu sagen.
Kelly verzog die Mundwinkel zu einem leichten Grinsen, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Sie gestand sich ein, dass sie sich geschmeichelt fühlte, denn sie hatte den Grund für Sabers gedankenverlorenen Blick bemerkt – eine kleine, verräterische Ausbuchtung in seiner sonst glatt bis zu den Schenkeln herabfallenden Tunika. Normalerweise hätte der Stoff diesen Teil seiner Anatomie verdeckt.
Normalerweise.
Schluss jetzt, Kelly Doyle – vergisst du da nicht eine Kleinigkeit? Du befindest dich in einem Reich voller Magie, und wenn er sich in dich verliebt, wird irgendein nicht näher beschriebenes Unheil über sein Land hereinbrechen. Willst du eine solche Schuld auf dich laden? Du hast doch nun wirklich schon genug Probleme am Hals!
Ja, aber … er ist ein Bild von einem Mann! Und er hat eindeutig Interesse an mir gezeigt , gab eine kleine Stimme aus der urweiblichsten Ecke ihres Herzens zurück. Du bist noch nicht tot, weißt du?
Doch, sie hatte seinen Blick als äußerst schmeichelhaft empfunden. Den Rücken zur Tür gekehrt, ohne Unterwäsche und leicht vornübergebeugt, um das Hemd überzustreifen … sie musste ihm einen faszinierenden Anblick geboten haben. Allein die Vorstellung, er könnte auf diese Weise an sie denken, löste in ihrer Magengegend ein warmes Kribbeln und zwischen ihren Schenkeln ein leises Ziehen aus.
Sie mochte ja körperlich noch unberührt sein, aber Kelly war im Amerika des späten zwanzigsten Jahrhunderts aufgewachsen, daher gab es nicht viel, was sie nicht über die Dinge wusste, die sich zwischen Männern und Frauen abspielten. Nur war sie leider immer zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um
mit diesen Dingen herumzuexperimentieren; sie hatte sie immer nur in ihrer Fantasie ausleben können. Sie biss sich auf die Lippe, dann fuhr sie mit einem leisen Lächeln fort, sich anzukleiden und begann, das Nähmaterial in Augenschein zu nehmen, das die beiden Brüder ihr gebracht hatten. Ihre Gedanken kreisten immer noch um den Blick, mit dem Saber sie Minuten zuvor verschlungen hatte.
Ungemein schmeichelhaft, das ließ sich nicht leugnen.
6
R otgoldene Löckchen. Von einem tieferen Goldton als ihr Haar. Sommersprossen, die sich bis dorthin hinunterzogen, bei Jinga …
Saber unterdrückte ein Stöhnen und versuchte, die Gedanken abzuschütteln, die ihn unbarmherzig plagten. Wenigstens hatte Evanor ihn allein gelassen, und er hatte sich in seine im nördlichen Teil des Westflügels gelegene Schlafkammer zurückziehen können. Doch das Bild hatte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt: wohlgeformte, wenn auch momentan noch zu dünne, überall mit winzigen bräunlichen Flecken übersäte Beine und Schenkel, die sich bei ihrem Versuch, beim Ankleiden nicht das Gleichgewicht zu verlieren, leicht geöffnet und den Blick auf weitere braune Punkte auf dem weichen, weißen Fleisch der Innenseite freigegeben hatten. Auch ihre sanft geschwungenen Hüften waren damit gesprenkelt, und unter dem altersgelben Korsett, das sie getragen hatte, hatten sich erstaunlich volle Brüste abgezeichnet. Das Verlangen, das bei diesem verführerischen Anblick in ihm aufgeflammt war, peinigte ihn noch immer. Er wollte sie packen, sie an sich pressen und zum Herzen
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