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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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Bürste und ein Handspiegel, den er eigenhändig verzaubert hatte, damit sie ihn gefahrlos benutzen und durch ihn nicht per Fernsicht von Feinden bespitzelt werden konnte. Daneben lag ein Kästchen voller aufgerollter Seidenbänder … sie hatten zwar ein paar alte gewebte Borten und Spitzenbesätze in den Kammern der Burg gefunden, aber keine bunten Bänder, und er wusste, dass Frauen diese liebten – besonders Frauen, die der Schneiderkunst kundig waren. Unter dem Vorwand, sie für »magische Zwecke« zu benötigen, hatte er auch aus Blüten gewonnene Duftöle erworben. Der Duft war sorgfältig auf den ihrer Haut abgestimmt, der sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte.
    Ferner gab es weiche Seifen, Badezusätze und Lotionen, mit denen sie sich einreiben konnte, nachdem sie sich abgetrocknet hatte – Lotionen, von denen er insgeheim hoffte, sie eigenhändig in ihre glatte, sommersprossige Haut einmassieren zu dürfen. Und einen ganzen Ballen aquamarinfarbener Seide, die fast denselben Farbton aufwies
wie ihre schillernden blaugrünen Augen. Sie hatte ihn drei kostbare Schwerter, deren Klingen nie stumpf wurden, und zwei Geschosse abweisende Schilde gekostet, Gegenstände, die er eigentlich gar nicht hatte verkaufen wollen, schon gar nicht gegen Seide eintauschen … Aber sowie sein Blick auf den Ballen gefallen war, hatte Saber ihn gekauft, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, und war zur Burg zurückgeeilt, um die Dinge zu holen, die der Händler dafür verlangte.
    All diese Schätze warteten nun auf Kelly Doyle, während Saber den Mut noch nicht aufbrachte, sie ihr zu überreichen.
    Fünf Tage, nachdem er die geschnitzte Zedernholztruhe nebst Inhalt erstanden hatte, war er spät abends noch wach, als jemand an seine Tür klopfte. Sein erster Gedanke war, dass sie es sein konnte. Saber klappte das Buch zu, in dem er zu lesen versucht hatte, und öffnete.
    Doch vor ihm stand nicht Kelly. An ihrer Stelle trat Rydan in die Kammer, eine unheimliche, wie immer in tiefes Schwarz gekleidete Gestalt. Sein Blick schweifte durch den Raum, nahm alle Veränderungen zur Kenntnis, fiel auf die Truhe auf dem Boden beim Fenster und heftete sich schließlich auf seinen Bruder. Eine stumme Frage stand in seinen dunklen Augen zu lesen.
    Saber zuckte die Achseln – eine entschuldigende Geste, die er sich selbst nicht erklären konnte. Rydan war eigenartig, sogar an den Begriffen der acht Brüder gemessen – von denen einer ein Wolf in Menschengestalt war, einer eine Katze, einer eine lebende Flamme, wenn er nicht jeden Tag seines jungen Lebens darauf achtete, seine Gaben unter Kontrolle zu halten, einer ein kaum je verstummender Sänger, einer ein von Ehrgeiz zerfressener, überall Rivalen witternder Eiferer, einer ein zu weiser, zu junger, allzu mächtiger Magier und einer nach Ansicht eines gewissen Rotschopfes ein überfürsorglicher, überängstlicher,
halsstarriger, herumpolternder Narr. Rydan als seltsam innerhalb dieser außergewöhnlichen Corvis-Brüder zu bezeichnen sagte einiges über ihn aus.
    Der sechstgeborene, die Nacht liebende Sohn nickte seinem Bruder nur schweigend zu, trat dann zu einem der Fenster und spähte in die Nacht hinter der Reflektion der Lichtkugeln hinaus, wo er vermutlich Dinge sah, die außer ihm niemand sehen konnte. Saber hatte Rydan nur ein einziges Mal, kurz nachdem dieser gerade der Pubertät entwachsen war, gefragt, was er in seinem von der Nacht bestimmten Leben alles zu Gesicht bekam. Rydan hatte ihm keine Antwort darauf gegeben.
    Aber auch das war für ihn nichts Ungewöhnliches. Rydan sprach ohnehin nur sehr wenig; nachdem sich seine Macht während seiner Pubertät zu voller Blüte entfaltete, war er mehr und mehr dazu übergegangen, den Tag zu meiden und nächtliche Streifzüge zu unternehmen, und seit er als Sohn des Schicksals gebrandmarkt worden und nach Nightfall verbannt worden war, hatte er immer absonderlichere Gewohnheiten angenommen. Der Dunkelhaarigste von ihnen hatte die Tageslichtstunden der Reise hierher im Schutz eines weiten, dunklen Umhangs und mit tief in die Stirn gezogener Kapuze zurückgelegt. Eine medizinische oder magische Notwendigkeit dazu hatte nicht bestanden, er hatte einfach nur seiner ganz speziellen Vorliebe gefrönt.
    Saber hatte darauf bestanden, dass er ihnen wenigstens jeden Abend nach Sonnenuntergang Gesellschaft leistete, damit er sich vergewissern konnte, dass sein Bruder noch am Leben und bei guter Gesundheit war. Kelly hatte

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