Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
Wahrscheinlich auch magisch bedingt, dachte sie. Was Hope wohl sagen würde, wenn sie mich jetzt sehen könnte …
Hah! Vermutlich »Du Glückskind!« oder etwas Ähnliches. Sie wäre entzückt, mit einem attraktiven Mann in einer Wanne zu sitzen … Aber diesen Gedanken weiterzuspinnen würde nur weitere Ideen hervorrufen, die sich in eine ganz bestimmte Richtung bewegten, und das führte in ihrem momentanen Zustand zu nichts. Trotz seiner jüngsten Versuche, ihr den Hof zu machen, war das wahrscheinlich auch kein guter Einfall. Also richtete Kelly ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Wasser, ein unverfängliches Thema, und fragte sich, aus welcher Quelle es stammte. »Saber?«
»Mmm?«, brummte er, froh, gerade um Haaresbreite dem Tod entronnen zu sein.
»Wo kommt all das Wasser her? Die Berge sehen nicht hoch genug aus, um genug Regenwasser für die Versorgung
eines Gebäudes dieser Größe zu speichern, wenn es vollständig bewohnt ist.«
»Aus dem Meer natürlich.«
»Aus dem Meer? Aber es ist nicht salzig«, gab Kelly zu bedenken und drehte sich mit verwirrt gerunzelter Stirn zu ihm um. »Meerwasser hat doch einen mehr oder weniger hohen Salzgehalt.«
»Die ursprünglichen Erbauer von Nightfall wussten, dass es auf der Insel nicht ausreichend Frischwasser für die gesamte Bevölkerung des Herzogtums gab – die Insel ist fünfzig Meilen lang und zwanzig breit, und die Burg liegt in der Mitte der beiden Bergketten, die die Insel teilen«, erläuterte Saber. Dabei zeichnete er mit dem Finger eine grobe Skizze auf die Wasseroberfläche zwischen ihnen. »Auf Nightfall regnet es genug, um die Ströme das ganze Jahr nicht versiegen zu lassen, aber das reicht nur für die hiesigen Pflanzen und Tiere und vielleicht noch fünfzig oder sechzig Menschen, ohne dass das Wasser während der heißesten Jahreszeit rationiert werden muss.
Also hat der Herzog von einem der mächtigsten Magier der damaligen Zeit – einem Mann, der Morganen ebenbürtig oder sogar überlegen war – die Begleichung einer alten Schuld eingefordert und der hat auf einem der niedrigen Hügel in der Nähe der direkt westlich von hier gelegenen Bucht eine dauerhaft funktionierende Wasserentsalzungsanlage angelegt, komplett mit Rohren bis zu den Häusern der Menschen, die hier lebten.
Dauerhafte Magie gibt es extrem selten«, klärte Saber sie weiter auf, während er sich Wasser ins Gesicht spritzte. »Nur die mächtigsten Magier können derartige Zauber verhängen, und für gewöhnlich erfordern die Vorbereitungen schon ein ganzes Jahr und kostspielige Materialien … du siehst, dass er den ursprünglichen Siedlern einen ungeheuren Gefallen erwiesen hat, indem er ein System konstruierte, das sie mit genügend Trinkwasser versorgte.«
»Wo sind denn all die ursprünglichen Bewohner der Insel abgeblieben?«
Saber rümpfte die Nase. »Sie wurden durch einen Fluch von Nightfall vertrieben.«
Kelly verdrehte die Augen.
»Da kannst du stöhnen, so viel du willst, Kelly … es ist wahr. Doch dieser Fluch wurde von den Inselbewohnern selbst verhängt. Mit voller Absicht.«
»Absichtlich?« Das weckte ihr Interesse. »Wie denn? Und warum?«
»Es geschah mit dem Fall von Aiar, eines alten und einst sehr mächtigen weit nördlich von hier gelegenen Reiches. Alle Einzelheiten sind mir nicht bekannt«, räumte er ein. »Aber es heißt, dass die Götter und die Sterblichen vor vielen Jahren einen erbitterten Krieg um die Wahrheit führten. Dabei kam einer der Götter des Nordens ums Leben, und das gesamte Reich brach entzwei. Einst gab es hier auf Nightfall eine Pforte, die das Herzogtum mit Aiar verband – in Katan existierte übrigens eine ganze Reihe solcher Pforten«, fügte er hinzu. »Zu jener Zeit lebte eine Seherin, die davor warnte, dass sämtliche Pforten sowie das gesamte Land im Umkreis eines Tagesrittes in diesem Krieg zerstört werden würden, wenn es nicht gelänge, die Pforten vorher zu schließen, aber das erforderte ein ungeheures Maß an Macht.
Nightfall war der letzte Ort, den der Rat der Magier besuchte. Sie trafen hier ein und setzten den Schließungsprozess in Gang. Doch der Kampf hatte schon vor ihrer Ankunft in Aiar getobt, und der letzte Rest zerstörerischer Kraft drängte mit aller Gewalt durch die Pforte. Die Magier konnten diese Macht nicht aufhalten, nur umleiten, und so wandelte die Herzogin, die damals über die Insel herrschte – selbst eine bedeutende Seherin – die negativen Energien in einen Fluch um, der
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