Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
sie zu ihm aufblickte. Saber konnte der Versuchung nicht länger widerstehen. Er neigte den Kopf und streifte mit den Lippen sacht die ihren, einmal, zweimal, dann zwang er sich, sich von ihr zu lösen. Sie konnten für den Rest des Tages nichts tun, und in seinem Fall wohl auch die Nacht und den größten Teil des morgigen Tages nicht.
»Nein, nicht die geringste«, flüsterte sie, dann leckte sie sich über die Lippen, beugte sich über ihn, wobei sie ihre Brüste gegen seine Brust und seinen Bizeps presste, was ihm ein neuerliches Stöhnen entlockte, und goss mehr Saft in einen der Becher, die seine Brüder ihnen gebracht hatten. Nachdem sie ihn zur Hälfte geleert hatte, hielt sie ihn Saber an die Lippen, damit er den Rest trinken konnte. Sie sah zu, wie er schluckte, dann stellte sie den Becher wieder weg. »Saber, kann es wirklich …?«
»Glaubst du, du könntest …«, fragte er im selben Moment, dann brach er ab. »Du zuerst.«
Sie nickte und starrte auf das Wasser nieder. Als sie dort ein Wellen schlagendes Abbild ihrer Brüste und seiner Männlichkeit erblickte, hob sie rasch den Kopf. »Kann es wirklich Liebe sein? In dem Vers, den du rezitiert hast, war von ›wahrer Liebe‹ die Rede, und ich war noch nie verliebt, also kann ich meine Gefühle schlecht beurteilen.«
»Kannst du mir verzeihen, dass ich mich während deiner ersten Zeit hier wie ein Tyrann aufgeführt habe?«, fragte er zurück und umging somit die Notwendigkeit, ihr eine direkte Antwort geben zu müssen.
Dies bewirkte, dass sich die aquamarinfarbenen Augen
wieder tadelnd auf ihn richteten. »Red keinen Unsinn!« Kelly hielt inne, zögerte und grinste dann. »Natürlich habe ich dir das verziehen. Ich weiß ja, dass ich selbst nicht gerade freundlich und umgänglich war. Eigentlich müsste ich um Entschuldigung bitten.«
Er zupfte eine Strähne ihres schulterlangen Haares von ihrer Wange. »Du hattest allen Grund, zänkisch und unausstehlich zu sein.«
Sie rümpfte die Nase und spritzte ihm Wasser ins Gesicht. Er spritzte grinsend zurück. Sie begannen in der Wanne spielerisch miteinander zu rangeln, bis sie einander plötzlich eng umschlungen hielten. Mit einem unterdrückten Stöhnen schob Saber Kelly entschlossen von sich, obwohl er sich so der Wonne ihrer Berührung beraubte.
»Das dürfen wir nicht tun, Kelly.«
»Möchtest du, dass ich mir eine andere Wanne suche?«, erkundigte sie sich widerstrebend.
Seine Antwort löschte alle ihre Bedenken aus. »Nein, auf gar keinen Fall. Aber wir sollten vorsichtiger sein, sonst würden wir Gefahr laufen, in dieser Wanne zu ertrinken.«
»Aber das wäre doch ein vergnüglicher Weg, diese Welt zu verlassen«, unterbrach sie ihn mit einem spitzbübischen Grinsen.
Seine grauen Augen schwelten wie der Rauch eines Schmiedefeuers. »Ich denke kaum, dass irgendetwas, was zwischen uns geschieht, jemals nur ›vergnüglich‹ sein wird.«
Als ihr daraufhin das Blut in die Wangen schoss, unterdrückte er ein Lächeln. Die Kombination aus jungfräulicher Schüchternheit und der Kühnheit einer erfahrenen Frau faszinierten ihn.
»Selbst wenn die Gefahr bestünde, dass wir ertrinken würden, wäre es mir lieber, in besserer körperlicher Verfassung zu sein als jetzt, wenn ich zum ersten Mal … äh … mit dir …«
Ihre rosenfarbenen Lippen öffneten sich, ein Schleier legte sich vor ihre Augen, und rote Flecken glühten auf ihren Wangen. Verglichen mit dem lodernden Blick, den sie einen Moment lang wechselten, kam ihr das Wasser geradezu kühl vor. Endlich wandte Saber sich ab und legte die Arme wieder auf den Wannenrand.
»Na schön.« Kelly sah gleichfalls anderswo hin. Nachdem der Schock über das so unvermutet hervorgestoßene Geständnis seiner Zuneigung abgeebbt war, tobte in ihrem Inneren ein Gefühlsaufruhr.
Wenn er mich liebt … nicht nur körperlich … dann beschwöre ich irgendein nicht näher spezifiziertes Unheil über uns alle herauf. Und wenn wir miteinander schlafen, könnte ich mich ernsthaft in ihn verlieben. Aber was, wenn ich in vier Monaten nach Hause zurückkehre …
Wenn sie ehrlich war, zog sie nicht viel nach Hause zurück. Hier hatte sie alles, was sie sich wünschte, abgesehen von der Gesellschaft anderer Frauen. Mit seinen Brüdern kam sie gut zurecht; sie hatte sich schon immer mit Männern und Frauen gleichermaßen gut vertragen. Seitdem sie sich den Rang des »Alphaweibchens« in diesem ansonsten rein männlichen Haushalt erkämpft hatte, wie sie sich
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