Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
ihr die Narbe auf seinem Rücken, die er sich zugezogen hatte, als er von einem Baum gefallen war, auf den er gar nicht hätte klettern dürfen. Er hatte seinen Eltern und Brüdern seine Verletzung verschwiegen, und der Heiler-Magier hatte sie erst Tage später zu Gesicht bekommen, als sie sich entzündet und ihm ein leichtes Wundfieber beschert hatte. Sie gestand, dass sie sich ein Muttermal auf der Unterseite einer Brust hatte weglasern lassen, und er bestand darauf, sich die Stelle anzusehen, hütete sich aber, sie zu berühren.
Sie konnten buchstäblich nichts tun als sich unterhalten, sich im Wasser aufweichen zu lassen, auf den Abtritt zu verschwinden, wieder in der Wanne unterzutauchen und weiterzureden.
Sie aßen, tranken, ließen mehr Wasser nachlaufen, während draußen der Regen gegen die Fenster trommelte und der zunehmende Wind einen aufziehenden Sturm ankündigte,
sie klopften gegen die Lichtkugeln, als die Nacht hereinbrach, und redeten weiter.
Und stellten fest, dass sie, obwohl sie aus verschiedenen Welten stammten, viele Gemeinsamkeiten hatten; sie fühlten sich zum Beispiel beide für sich selbst und die Menschen in ihrer Umgebung verantwortlich. Nach einer Weile gestanden sie sich auch ein, dass sie beide großen Gefallen an ihren verbalen Schlagabtauschen fanden – vorausgesetzt, sie arteten nicht in einen handfesten Streit aus.
Da die acht Brüder nie Veranlassung gehabt hatten, eine Verabredung einzuhalten, hielten sie die Zeit nicht genau fest, sondern orientierten sich nur grob am Stand der Sonne, daher konnten weder Kelly noch Saber sagen, wie lange sie schon in der Wanne lagen. Irgendwann, es musste schon weit nach Mitternacht sein, hob Kelly eine Hand zum Mund, weil sie immer häufiger gähnen musste. Als sie sie sinken ließ, rieb sie müßig die Fingerspitzen gegeneinander. Sie waren immer noch glatt und straff, und sie konnte nur hoffen, dass sie nicht die ganze Nacht im Wasser verbringen mussten, wo sie Gefahr liefen, einzuschlafen und zu ertrinken.
Saber, von ihr angesteckt, gähnte gleichfalls, rieb sich die Augen, räkelte sich, blinzelte erneut – und griff dann nach ihrem Handgelenk. »Es ist soweit!«
»Wie bitte?« Kelly erwachte aus ihrer Benommenheit und drehte die Hand zu ihrem Gesicht. Tatsächlich hatten die Fingerspitzen jene faltige, blasse, aufgequollene Beschaffenheit angenommen, die sie hasste, weil ihre Großmutter sie immer als »Waschfrauenhände« bezeichnet hatte. »Tatsächlich! Sie sind völlig verschrumpelt! Jetzt kann ich endlich hier raus!«
Saber gab ihr Handgelenk frei, inspizierte seine eigenen Fingerspitzen und seufzte, weil sich bei ihm immer noch nichts tat. »Ich nicht. Noch nicht. Die Wirkung des Wasserschlangengifts
hält länger an, wenn es direkt ins Blut gelangt und nicht durch die Haut aufgenommen wird.«
»Soll ich in der Wanne bleiben und dir Gesellschaft leisten?«, erbot sich Kelly höflich.
Saber schüttelte den Kopf. »Nein. Geh nur, trockne dich ab und achte darauf, immer noch so viel wie möglich zu trinken.« Er ließ die Hand wieder ins Wasser sinken, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Aber wenn du mir trotzdem Gesellschaft leisten würdest …«
»Soll ich aufpassen, dass du nicht ertrinkst?«, fragte sie mitfühlend. Dabei paddelte sie auf die Seite der Wanne zu, wo die Stufen lagen. »Weißt du, wenn du mich nicht andauernd anschreist, macht es wirklich Spaß, mit dir zusammen zu sein, Saber.«
Er musterte sie mit hochgezogenen Brauen. »Das Gleiche lässt sich in Bezug auf dich behaupten.«
Sie spritzte ihm grinsend Wasser ins Gesicht. Er spritzte zurück und tauchte unter, als sie sich anschickte, aus der Wanne zu steigen, kam aber gerade rechtzeitig wieder zum Vorschein, um einen Blick auf ihren nackten Körper zu erhaschen, ehe sie begann, sich mit einem dieser eigenartigen Handtücher abzurubbeln, die Evanor angefertigt hatte. Und dass sein Mund erneut trocken wurde, hatte diesmal mit Sicherheit nichts mit dem Gift zu tun.
Da ihm die noch immer notwendige Zufuhr von Flüssigkeit wieder einfiel, befahl er ihr: »Und jetzt trink etwas, Frau!«
Sie schielte über ihre Schulter, dann ließ sie das Handtuch sinken, kehrte ihm ihr Hinterteil zu und wackelte unverschämt damit, um ihm wortlos zu verstehen zu geben, was sie von seinem Kommandoton hielt. Saber ließ die Stirn auf seinen Arm sinken und stöhnte leise, während Kelly fortfuhr, sich abzutrocknen.
»Bist du sicher, dass du wirklich noch unberührt
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