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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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reiten konnte wie auf einem richtigen Pferd? Er öffnete den Mund, um die Mutter danach zu fragen, doch gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, daß es Verrat am Vater wäre, Freude an irgend etwas, das mit ihr zusammenhing, zu zeigen.
    Sie hatte auf dem Markt auch alte, getrocknete Weintrauben gekauft, was er nicht verstand, bis sie ihm eine davon in den Mund stopfte. Es war eine sehr überraschende Handlung ihrerseits, die er nicht vorhersehen und der er deshalb nicht ausweichen konnte, zwischen einem Gang zum Herdfeuer, um einen mächtigen Topf aufzusetzen, und der Suche nach einem anderen Messer, um die Zwiebeln zu zerteilen. Sie streckte einfach die Hand aus, und er spürte den kurzen Druck ihrer Finger auf seinen Lippen und die alte Weintraube in seinem Mund, ehe er zurückweichen konnte. Das Ding schmeckte süß, ohne die Schärfe frischer Trauben.
    Als sie schließlich die Siegel der beiden Krüge aufbrach, stellte sich heraus, daß einer Wein und der andere Öl enthielt. Sie mischte die zerhackten Zwiebeln, Brennesseln, Liebstöckel und die alten Trauben im Topf, zusammen mit etwas Salz und Öl, während der Fisch bereits in einem weiteren Topf mit Wasser vor sich hin siedete. Es erinnerte ihn daran, wie angenehm überrascht der Vater in den Tagen nach ihrer Ankunft davon gewesen war, wie viele Gerichte sie zubereiten konnte, als wäre das früher nicht der Fall gewesen. Ihm selbst dagegen war zwar der Unterschied zu dem alltäglichen Einerlei von früher aufgefallen, doch er hatte nichts Besonderes darin gesehen. Mütter verstanden sich eben auf die Zubereitung von Speisen. So einfach war das.
    Ihm hatte immer alles geschmeckt, was sie gekocht hatte.
    Wütend blinzelte Remus die Tränen weg, die in ihm aufstiegen. Warum, warum nur mußte sie alles kaputtmachen?
    »Ich hoffe, es wird unseren Gastgebern schmecken«, sagte sie und schnippte noch etwas Salz in den größeren Topf, »denn ich weiß nicht, wie lange wir hierbleiben müssen.«
    »Ich dachte, du willst über das Meer, weil der König Amulius dich verfolgt«, entgegnete Remus so patzig wie möglich, damit sie nicht den Eindruck hatte, aus ihm spreche Furcht. »Kannst du nicht das nächste Schiff nehmen?«
    Sie lächelte und hielt ihm erneut eine getrocknete Weintraube hin, die er ignorierte. Ihr Lächeln verblaßte, doch ihre Stimme änderte sich nicht, als sie zurückgab:
    »Ich könnte schon, und es sind gewiß genügend im Hafen, um eine Wahl zu treffen, aber glaub mir, es ist nicht leicht, einen Kapitän zu finden, der einen mitnimmt. Deswegen habe ich mit einem Freund, dem mehrere Schiffe gehören, vereinbart, daß uns eines davon aufnimmt.«
    Remus hatte das Meer heute nur von weitem gesehen, und Schiffe desgleichen. Er mußte insgeheim zugeben, daß er neugierig auf beides war. Aber es war eine verbotene Neugier, eine verbotene Freude, weil er sie nicht mit dem Vater und mit Romulus teilen konnte, also fragte er nichts weiter und sog statt dessen den Geruch nach Fisch und brutzelndem Gemüse ein, der seinen hungrigen Magen lauthals knurren ließ.

    Ulsna brachte eine gute und eine schlechte Nachricht mit, als er zurückkehrte, doch er beschloß, die schlechte vorerst für sich zu behalten. Wie es schien, hatte der Junge einen Waffenstillstand mit Ilian geschlossen, und Ulsna wollte niemandem das Essen verderben, auch sich selbst nicht. Also teilte er Ilian nur mit, es liege tatsächlich eines von Arions Schiffen vor Anker, die Andromeda unter dem Befehl von Kallias. Seit Ilian Arion als Zwischenträger für den Handel mit Weizen gegen dringend benötigte Holzkohle, Bronze und Eisen für Waffen an Psammetich vermittelt hatte, stellte sich das Problem, Seeleute zum Transport weiblicher Wesen zu überreden, nicht mehr. Sie würden übermorgen in See stechen können.
    Die Apollon-Priester, bis auf ihren Oberen allesamt noch recht jung, behandelten Ilian mit einer Mischung aus Verlegenheit und Vorsicht. Natürlich aßen sie die Speisen, die sie bereitet hatte, nicht in ihrer Gegenwart; Ilian, Ulsna und der Junge blieben in der Küche, während der Priester, dem sonst das Kochen oblag, eine große tönerne Schale mit dem Fisch und Gemüse füllte. Er dankte Ilian ein wenig steif, doch durchaus aufrichtig, und verschwand damit.
    »Ich dachte, das wären unsere Gastgeber«, meinte Remus verblüfft.
    »Es sind Griechen. Sie haben noch strengere Sitten in bezug auf Frauen als ihr Latiner«, erläuterte Ulsna begütigend, und der Junge runzelte die

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