Die Söhne der Wölfin
der Art äußerte er auch, als Ulsna zu ihnen stieß und Remus nach einem Tag beiseite zog, um ihn zu fragen, was er von Romulus’ Benehmen halte.
»Er ist ein guter Sohn, der sich freut, seine Mutter wiederzuhaben«, antworte Remus und bemühte sich, nicht verärgert zu klingen. Er hatte immer noch eine Spur von schlechtem Gewissen Ulsna gegenüber, doch ihn störte, wie dieser seine Frage formuliert hatte.
»Hm«, machte Ulsna, mehr nicht. Widersinnigerweise sorgte das dafür, daß Remus die Sache nicht auf sich beruhen lassen konnte.
»Das kann doch jeder sehen.«
»Hm.«
»Sprich schon aus, was du auf dem Herzen hast!« knurrte Remus ungeduldig.
»Ich würde es ja tun«, entgegnete Ulsna mit erhobener Augenbraue, »aber ich traue deiner Selbstbeherrschung nicht über den Weg, mein Junge.«
Remus verschränkte die Hände hinter dem Rücken und bemühte sich um einen zerknirschten Gesichtsausdruck, was Ulsna zu einem schwachen Lächeln nötigte.
»Nun«, begann er langsam, »da ich selbst ohne Mutter aufgewachsen bin, weiß ich von Söhnen und Müttern natürlich nur das, was ich an dir und deiner Mutter beobachten konnte, und von Romulus weiß ich so gut wie gar nichts. Doch ich muß sagen, dein Bruder hat eine entschieden andere Art als du, ein guter Sohn zu sein. Mir kommt er beinahe so vor wie ein Mann, der die Frau seines Herzens umwirbt.«
Vor seiner Erfahrung mit Prokne hätte Remus nicht begriffen, worauf Ulsna hinauswollte. Auch so brauchte er eine Weile, bis sich das Begreifen durch seine Verwirrung arbeitete, wie Öl, wenn man es mit Wasser mischte. Obwohl er heftig versucht war, wurde er nicht wieder handgreiflich.
»Romulus hat in seinem ganzen Leben nur ein paar Monate lang eine Mutter gehabt«, sagte er, um Selbstbeherrschung ringend, »und er wollte nie zugeben, daß er eine brauchte. Man muß schon selbst unnatürlich sein, um etwas anderes darin zu sehen.«
Durch Ulsnas Gestalt ging ein Ruck. Sein Gesicht verhärtete sich, und er wandte sich ohne ein weiteres Wort von Remus ab.
Es tat Remus leid, schon wieder mit Ulsna gestritten zu haben, doch er fand, daß Ulsna diesmal mehr Grund hatte, sich zu entschuldigen. Außerdem glaubte er zu wissen, was Ulsna tatsächlich im Nacken saß: Eifersucht. Der arme, alte Ulsna hatte schließlich kein Weib und keine Kinder, und da mußte es ihn bei aller Freundschaft ab und zu unangenehm berühren, Ilian mit ihren Söhnen zu sehen.
Das Ärgerliche war, daß einem Ulsnas Worte trotzdem nachschlichen wie Diebe in der Nacht. Sie stahlen einem die reine Freude am Leben und vermengten sie mit einer seltsamen Unruhe, vor allem, wenn er die Mutter und Romulus über irgendwelche Rituale debattieren sah, wenn die Mutter eine Schriftrolle ausbreitete und Romulus sich von hinten über ihre Schulter beugte, um sie zu begutachten, und dabei fast ihre Wange mit der seinen streifte. Alles völlig harmlose Gesten, bis Ulsna sie mit dieser einen Äußerung vergiftet hatte.
»Weißt du«, sagte Remus schließlich zu seinem Bruder, »nur weil wir dabei sind, einen Schurken vom Thron zu stürzen, besteht kein Grund, warum wir nicht etwas Spaß nebenbei haben sollten. Es ist an der Zeit, daß du dir ein Mädchen suchst.«
»Und das von einem, der immer noch seiner letzten Frau nachtrauert. Remus, denk nach. Wenn ich mit einem Mädchen aus den Dörfern etwas anfange, verärgert das ihren Vater, Bruder, Onkel, die wir alle als Verbündete brauchen.«
Damit hatte Romulus zwar durchaus recht, doch irgendwie war es nicht richtig, daß er sich in ihrem Alter so selbstbeherrscht zeigte.
»Wir könnten in eine der Tusci-Städte gehen. Nach Xaire, zum Beispiel.« Eine Erinnerung an all die Mutproben in ihrer Kindheit wehte ihn an, und er fügte hinzu: »Du hast doch keine Angst vor Frauen, oder?«
»Nein«, gab Romulus kalt zurück, aber er erklärte sich bereit, nach Xaire zu gehen. Wie es sich fügte, ergab sich die Gelegenheit dazu, als Ulsna seinen nächsten Gang, um die Stimmung unter den Tusci zu erkunden, unternahm. Der Barde wirkte nicht sehr erbaut, als die Zwillinge ankündigten, sie würden ihn begleiten.
»So stellen wir sicher, daß dir unterwegs nichts geschieht«, verkündete Remus und schlug Ulsna auf die Schulter. Es war als versöhnliche Geste gemeint, doch die Miene des Barden blieb eisig.
»Ihr stellt nur sicher, daß wir bemerkt werden. Ihr beide seid so unauffällig wie ein paar rauflustige junge Wölfe.«
»Aber wir werden keinen Ärger in Xaire
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