Die Söhne der Wölfin
machen. Nur etwas feiern. Mit«, Remus druckste verlegen, »mit ein paar netten Tusci-Mädchen.«
»Soviel zu deiner ewig währenden Liebe und Treue. Weißt du, im Rückblick betrachtet, war Prokne doch gar keine schlechte Wahl. Wenigstens wartet sie nicht auf dich.«
Diesmal war es an Remus, verärgert davonzustapfen, doch nach ein paar Schritten holte ihn Ulsna wieder ein. »Schon gut, Junge«, sagte der Barde. »Kommt mit und tobt euch aus. Die Götter wissen, viel mehr Gelegenheiten werdet ihr ohnehin nicht mehr haben.«
Ulsna mußte sich eingestehen, daß ihn Romulus beunruhigte, was einer der Gründe war, warum er einwilligte, sich die Zwillinge aufzuhalsen. Mit den Jahren war seine Menschenkenntnis bis zu dem Punkt gereift, an dem er sich zutraute, eigentlich jeden einschätzen zu können. Seine gelegentlichen Scharmützel mit Remus rührten nicht von zu wenig, sondern eher von zu gutem Verständnis her; außerdem besaßen Jungen, wenn man sie gerade zu Männern erklärt hatte, eine unselige Fähigkeit, einen mit tolpatschigen Bemerkungen in Zorn zu bringen. Doch Romulus, der ein genau solcher Junge hätte sein sollen, benahm sich statt dessen viel zu selbstbeherrscht, viel zu sehr wie Ilian, wenn sie etwas plante. Immerhin hatte Ulsna durch die Jahre gelernt, Ilian zu deuten, also wäre ein besserer Vergleich vermutlich Ilians Onkel in Alba gewesen. Es würde aufschlußreich sein, Romulus einmal dabei zu erleben, wie er sich gehen ließ. Überhaupt empfahl es sich, Romulus im Auge zu behalten, was er auch durchblicken ließ, als er mit Ilian über den Ausflug nach Xaire sprach.
»Oh, aber er wird sich nicht genügend betrinken, um sich von dir oder irgendwem aushorchen zu lassen«, meinte Ilian in einem Ton, der nach einer Mischung aus Belustigung und Stolz klang, »zum Glück nicht. Sonst stünde es aussichtslos um unser Ziel. Seine Selbstbeherrschung ist in den letzten Jahren enorm gewachsen.«
»Zweifellos. Ich befürchte nur, daß du eines Tages gefesselt und geknebelt in der Gefangenschaft von Arnth aufwachst, weil dein rachedurstiger Sohn sich so gut beherrscht und du alle Vorsicht in den Wind geschlagen hast. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß er sich im Vergeben und Vergessen übt, nur weil er dich nicht mehr offen angiftet wie in seiner Kindheit?«
»Nein. Aber du vergißt etwas, Ulsna. Er will den Thron. Er hat es in sich«, fuhr sie fort und lächelte schwach, »den Hunger, den Ehrgeiz. Und er möchte, daß ich ihm vor aller Welt seine Herkunft bestätige, wenn es erst soweit ist. Er möchte, daß ich ihn auf dem Thron sehe, und erst dann wird er sich rächen.«
»Hm. Verzeih, doch mir scheint, du vergißt da etwas sehr Offensichtliches. Wie es derzeit aussieht, hast du alles in die Wege geleitet, damit Remus auf den Thron von Alba kommt, nicht Romulus, und auf die brüderliche Liebe würde ich auch nicht unbedingt bauen. Warum nicht euch beide an Arnth ausliefern und darauf hoffen, daß Arnth ihn dann dankbar als Nachfolger einsetzt?«
Die versonnene Heiterkeit schwand aus Ilians Zügen, während Ulsna sprach, und machte der steinernen Sphinx Platz. »Arnth kann keinen meiner Söhne als Nachfolger anerkennen. Jetzt nicht mehr.«
»Weil er damit zugeben würde, wer ihr Vater ist?« fragte Ulsna leise und erinnerte sich, wie er Ilians erstem Gespräch mit Iolaos in Delphi gelauscht und darüber gegrübelt hatte, ob sie die Wahrheit über die heilige Ehe gesagt hatte oder nicht.
»Weil ihm - wenn man einem der Kaufleute, die meine Söhne überfallen haben, Glauben schenkt - endlich eine seiner Sklavinnen einen Sohn geboren hat«, entgegnete Ilian kühl. »Wenn man darüber in Xaire spricht, kannst du einfließen lassen, daß es ein offenes Eingeständnis der Schwäche sei, ein Versuch, sich doch noch als rechtmäßiger König zu beweisen, selbst um des Preises willen, das Balg einer Sklavin auf den Thron von Alba zu setzen, das vermutlich noch nicht einmal von ihm stammt. Im übrigen«, setzte sie hinzu und griff nach der Wolle, die Remus ihr gebracht hatte, damit sie die durch das ständige Umherziehen unvermeidlichen Risse in ihren Kleidern ausbessern konnte, »wäre es ihm vermutlich auch ohne diesen Schritt unmöglich gewesen, einen der Zwillinge anzuerkennen. Nicht, weil ihnen der Vater fehlt. Solange meine Verbannung nicht von Tempel und Palast aufgehoben wird, haben sie auch keine Mutter. Ich existiere nicht, und damit gibt es auch weder Romulus noch Remus.«
Plötzlich schaute
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