Die Söhne der Wölfin
und holte unter ihrem Umhang ein Schwert hervor, das diesen Namen kaum verdiente, so kurz war es.
»Ein Kinderschwert?« fragte er und fühlte sich auf absurde Weise gekränkt. Gleichzeitig fiel ihm auf, daß dieses Schwert nicht aus Bronze bestand; das Metall hatte eine ganz andere Farbe, ein stumpfes, silbriges Grau.
»Ein Schwert aus Eisen. Die Assyrer haben damit Ägypten erobert. Jeder Lederpanzer wird damit leicht durchstoßen, und man sagte mir, das sei der beste Einsatz eines Schwertes. Nicht das Schlagen, sondern das Zustechen.«
Er nahm es in die Hand und spürte die ungewohnte Leichtigkeit, während er damit durch die Luft fuhr. »Dein Bruder hält es für keine ehrenhafte Waffe, wenn der Gegner nur über Bronze verfügt«, bemerkte sie ruhig. »Aber sie ist tödlich.«
Romulus konnte sich nicht entscheiden, ob er sich durch die Gabe einer Waffe, für die Remus sich zu gut war, geschmeichelt oder beleidigt fühlen sollte. Er kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken, denn Remus, Scaurus und Lucius traten laut und lärmend ein.
»Du bist doch ein Kerl, Romulus«, sagte Remus, als er sich von seiner Verblüffung erholt hatte, und schlug seinem Bruder auf die Schulter. »Danke!«
Erst nach dem Ende des Mahles, nach vielen Geschichten über griechische Waffen, sportliche Wettkämpfe, ägyptische Streitwagen und nubische Pferde, nach Gelächter, Wein, den Remus mitgebracht hatte, und geröstetem Schweinefleisch, kam Romulus dazu, seine eigene Unterhaltung mit Ilian fortzuführen.
»Warum ist Numa eigentlich nicht geblieben?« fragte sie. Das nur noch leise flackernde Herdfeuer ließ die Ohrringe, die sie trug, silbrig glitzern.
»Weil es dich beunruhigen könnte, dir vorzustellen, was er wohl in Tarchna macht«, entgegnete Romulus und hielt ihr die Schale mit den Bohnen hin, aus der sie sich bediente. » Bist du beunruhigt?«
Sie schüttelte den Kopf, und er lächelte sie an. »Warum hast du deinen Barden nicht mitgebracht? Als Rückversicherung?«
»Romulus«, entgegnete sie und erwiderte sein Lächeln, »du denkst zuviel.«
»Ich gebe mir Mühe.«
»Es tut mir leid wegen Faustulus«, sagte sie plötzlich ernst.
»Nein, Larentia, es tut dir nicht leid. Du bist erleichtert. Schließlich vereinfacht es die Dinge sehr, daß er nicht mehr hier ist.«
»Tut es das?« gab sie nachdenklich zurück.
Für Remus war die Heimkehr gleichzeitig schöner und schlimmer, als er sie sich vorgestellt hatte. Der Gedanke an Faustulus tat ihm weh, aber die Aufnahme durch Romulus hatte er sich wesentlich schwieriger vorgestellt, bei der Fähigkeit zum tiefen Groll, die sein Zwilling immer gezeigt hatte. Aber sein kleiner Bruder war ein Mann geworden, mit eigenen Freunden, und er hatte gelernt zu vergeben, wie gerade dieses Willkommen erwies. Angesichts dessen, daß er befürchtet hatte, Romulus werde sich weigern, mit der Mutter auch nur ein einziges Wort zu sprechen, grenzte seine tatsächliche Reaktion an ein Wunder. Es war schlimm, daß der Vater tot war, doch sie konnten immer noch eine Familie sein. Und sie würden Seite an Seite kämpfen, wie die Brüder, die sie waren.
Es war spät in der Nacht, als er Romulus endlich allein erwischte, in dem Stall neben der Hütte, wo er noch einmal nach den Pferden sah. Der warme, dumpfe Geruch erinnerte ihn an seine Kindheit.
»Du hast kaum mit mir gesprochen«, klagte Remus vorwurfsvoll, aber herzlich.
»Nun, die anderen haben dich völlig in Beschlag genommen. Sie sind keine«, Romulus zögerte kurz, »Helden von jenseits des Meeres gewohnt.«
»Romulus, sie halten eine Menge von dir«, sagte Remus, der den Unterton in der Stimme seines Bruders wiedererkannte. »Ihr seid wohl bereits durch dick und dünn gegangen. Das ist gut. Für das, was uns noch bevorsteht.«
»Ganz bestimmt. Aber dazu brauchen wir noch mehr Leute.«
»Dann weißt du...«
In der Dunkelheit spürte er die Hand des Bruders auf seiner Schulter, ehe er sie sah.
»Ich bin nicht dumm, Remus. Ich weiß, wozu ihr zurückgekommen seid.«
»Wir wären auch nur deinetwegen zurückgekommen«, protestierte Remus. »Ich habe dich vermißt.«
»Gewiß.«
»Ganz bestimmt! Die anderen - das war einfach nicht das gleiche. Sie haben ein Sprichwort bei den Griechen, weißt du? Bloß ist der Rücken ohne einen Bruder . Das stimmt. Und«, Remus hielt inne, fragte sich, ob es wohl wie Prahlerei klingen würde, und entschied, daß Romulus ihn schon richtig verstehen würde, »gerade in letzter Zeit ist mir
Weitere Kostenlose Bücher