Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
goß und es sich dann über das Gesicht laufen ließ. Verschwendung, aber ihm war danach. Das Gefühl des fließenden Wassers auf seiner Haut besänftigte etwas den Aufruhr in ihm.
    »Ulsna hätte nichts dagegen, wenn ich tot umfiele, aber die Gefahr besteht nicht.«
    Ihr Gewand war ebenfalls an mehreren Stellen feucht, mutmaßlich vom Reinigen der Wunden. In der nachmittäglichen Sonne sahen die dunklen Flecken aus wie Blutspritzer.
    »Weißt du eigentlich, was für ein Gefühl das ist, zu töten, Larentia?« fragte er unvermittelt. »Nicht aus der Ferne, nicht durch Flüche, Ratschläge oder Anordnungen, sondern unmittelbar. Mit deiner eigenen Hand. Weiß es dein teurer Ulsna? Hat einer von euch beiden schon einmal Blut gespürt, das er selbst vergossen hat?«
    Sie erwiderte nichts, und er warf ihr den Schlauch wieder zu. »Das dachte ich mir«, sagte er verächtlich.
    »Dann denkst du falsch«, entgegnete sie kühl.
    »Ach, wirklich? Und wessen Blut war es?« gab Romulus zurück und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, um nicht zu tun, wonach es ihn drängte. Noch nicht, dachte er. Noch ist es nicht soweit . »Komm schon, Larentia. Ich habe mein eigenes Opfer für Mars gebracht, und was soll ich dir sagen, es war nicht schwer, es war berauschend. Erzähl mir noch eine deiner lehrreichen Geschichten, damit ich weiß, ob du das wirklich nachvollziehen kannst. Sonst muß ich ja glauben, daß du es nur fertigbringst, durch Listen zu töten. Wie eben ein Weib .«
    Mit einer raschen Bewegung legte sie den leeren Schlauch auf den Boden, dann trat sie so nahe an ihn heran, daß er ihren Atem auf seiner nassen Haut spürte, an seiner Halsgrube, und alles in ihm zog sich zusammen. Er rührte sich nicht. Sie ging um ihn herum, und er fühlte zwei sehr unterschiedliche Berührungen gleichzeitig: ihr Gesicht, das sich gegen seinen Rücken drückte, und einen jähen, unglaublich scharfen Schmerz in seinem linken kleinen Finger. Romulus schrie auf, wie er es während des Kampfes nicht getan hatte, riß seinen linken Arm nach vorn und erkannte ungläubig, daß sie ihm mit einem Ruck den Finger gebrochen hatte.
    »Im Gegensatz zu Männern «, sagte sie ruhig hinter ihm, »prahle ich nicht. Ich handle. Und du bist immer noch zu selbstgefällig, mein Sohn.«
    »Du... du...«
    Sie tauchte wieder vor ihm auf, und der Haß, den er empfand, war so stark, daß er zitterte. In diesem Moment hätte er sie umbringen können. Es waren nicht so sehr die möglichen Folgen, die ihn davon abhielten, die Nachteile, der Wunsch, seinen so sorgsam ausgearbeiteten Plan zu verwirklichen, als einzig der kindische Gedanke, daß sie im Fall ihres sofortigen Todes das letzte Wort behalten hätte. Er würde immer noch brennen vor Zorn und diesen absurden Schmerz im kleinen Finger spüren, wenn sie schon längst kalt und reglos vor ihm lag. Nein, so nicht. Er atmete tief durch und versuchte, seine Selbstbeherrschung dadurch wiederzugewinnen, daß er seine Aufmerksamkeit auf Kleinigkeiten lenkte. Die Ader, die an ihrer Schläfe pochte und die verriet, daß sie nicht ganz so gelassen war, wie sie sich gab. Die braune Tiefe ihrer Augen, die erst noch flehen mußten, flehen, ehe er ihnen gestatten würde, sich zu schließen. Der Mund, dieser überlegen geschwungene Mund, der sich erst in Erkenntnis, Enttäuschung und Bitterkeit verziehen mußte, ehe er ohnmächtig verstummen würde.
    »Schon besser«, sagte sie. »Hör mir gut zu. Es ist an der Zeit, mit den Räuberspielen aufzuhören. Du mußt dich ausliefern lassen. Arnth hat die Könige der anderen Städte bereits gebeten, gemeinsam mit ihm gegen die latinischen Räuber vorzugehen. Wir werden wieder in Richtung Tarchna ziehen. Dein Freund Numa und einige seiner Kameraden werden ihre Pflicht für den König von Tarchna tun, dich gefangennehmen und dich dann deinem alten Oberherrn, dem König von Alba, übergeben.«
    Romulus begann zu ahnen, worauf sie hinauswollte, doch er weigerte sich, es ihr so einfach zu machen.
    »Und was wird Amulius davon abhalten, mich an Ort und Stelle hinrichten zu lassen?«
    »Seine empörten Kaufleute. Er schuldet es ihnen, vor der ganzen Stadt über dich Gericht zu halten. Im Gegenzug wirst du ihn in aller Öffentlichkeit anklagen und deine Herkunft offenbaren.«
    »Und was hindert ihn daran, mich dann hinrichten zu lassen? Als Frevler? Als«, er verzog den Mund zu einem winzigen Lächeln, »Balg einer verbannten Hure?«
    Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Bei einem

Weitere Kostenlose Bücher