Die Söhne der Wölfin
du solltest ihnen schon ein Gehege bauen, so etwas wie den Schweinekoben.«
Seit ihrem Verschwinden hatte er sich oft ausgemalt, was sie wohl sagen oder tun würde, wenn sie das Versprechen ihrer Schriftzeichen aus Asche je einhielte. Als aus Monaten Jahre wurden, war die Hoffnung immer mehr geschwunden, aber auch der Zorn, den ihre Tat damals in ihm ausgelöst hatte. Manchmal kam es ihm so vor, als habe er nur geträumt, daß der König von Alba ihm seine Nichte zur Frau gegeben hatte, daß er einmal neben einem halbverrückten Mädchen aufgewacht war, das Blitze beschwören konnte und von schlechten Träumen geplagt wurde. Dann sagten oder taten ihre Söhne etwas, das ihn an die Wirklichkeit gemahnte, und er verwünschte sie von neuem, weil sie ihm gehört und ihn verlassen hatte.
»Larentia«, sagte er unvermittelt in ihre Erklärungen über die Hühnerzucht hinein, »was tust du hier?«
Ihr Lächeln verrutschte etwas, aber ihre Stimme blieb entschlossen gut gelaunt, als sie antwortete.
»Ich helfe dir mit deinem Vieh, Faustulus. So wie du es mich vor Jahren gelehrt hast. Als ich zum ersten Mal Hühner sah, wußte ich, daß sie für dich bestimmt sind.«
»Ich kenne die Gesetze der Tusci nicht alle. Aber die unseren geben Männern das Recht, ihre Frauen umzubringen, wenn sie ihnen fortgelaufen sind.«
Sie klopfte sich den Staub von den Knien. »Nun, wenn du mich umbringen möchtest, Faustulus, so würde ich dir empfehlen, es nicht heute abend zu tun. Warte lieber noch einige Wochen, bis mein Freund Ulsna hier eintrifft. Er wird dir ein paar Leute nennen können, die mich ebenfalls tot sehen wollen und dich für diese Tat mit Reichtum und Ehren überhäufen würden, und er kann ihnen dann bezeugen, daß du es warst. Wenn du es ohnehin tust, solltest du auch Gewinn daraus ziehen.«
Seine Finger gruben sich in einen der leeren Körbe, in denen sie die Hühner transportiert hatte, und er spürte, wie sich die geflochtenen Zweige unter dem Druck verbogen.
»Verspotte mich nicht, Larentia«, sagte er hart.
Als sie näher trat und ihre Hand auf seine Wange legte, erinnerte ihn die Zartheit ihrer Haut wieder an das Mädchen, das anfangs kaum mit ihm gesprochen hatte, ehe Sonne, Wind, Wetter und harte Arbeit es ihm ähnlicher machten.
»Das will ich nicht«, entgegnete sie leise. »Du bist ein guter Mann. Es ist nicht deine Schuld, daß ich nicht zu deiner Ehefrau bestimmt bin. Aber weißt du, Faustulus, ich könnte deine Freundin sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Männer und Frauen sind keine Freunde, Larentia. Tusci und Latiner sind keine Freunde. Ihr besitzt, wir werden besessen. Wenn ich in den Jahren etwas gelernt habe, dann das.«
Ihre Hand fiel herab, und er wurde sich einmal mehr bewußt, wie tief sie ihn gezeichnet hatte, denn er vermißte ihre Berührung bereits.
»Doch ich werde dich nicht töten«, fuhr er fort. »Ich wünsche dir kein Leid. Sprich mir nur nicht von Freundschaft, Larentia. Bleib als mein Weib hier, oder geh als eine Fremde.«
Die maskenhafte Starre, an die er sich gut erinnerte, legte sich über ihre Züge, und sie seufzte.
»Gut«, sagte sie. »Ich werde bleiben. Als deine Gattin - und eine Fremde.«
Manchmal entdeckte man in der Dunkelheit mehr als im Licht. Sie war Faustulus so makellos und unverwundbar erschienen wie ein Stein, dem der Fluß alles Brüchige, Unebenmäßige weggespült hatte, doch als er mit der Hand über ihren bloßen Rücken fuhr, entdeckte er eine Vielzahl feiner Narben.
»Wer hat das getan?« fragte Faustulus und dachte gerade noch rechtzeitig daran, die Stimme zu senken, damit die Kinder nicht aufwachten. Wer auch immer es war, er verdiente, von den schlimmsten Unterweltsdämonen heimgesucht zu werden. Niemand außer ihm selbst besaß das Recht, Larentia zu verletzen.
»Eine Frau namens Nesmut«, erwiderte sie genauso leise. »Sie tat es an dem Tag, bevor ihr Sohn mir meine Freiheit wiederschenkte. Eine Erinnerung an meine Zeit als Sklavin.«
Er zeichnete mit seinen Fingern die langgezogenen Linien nach und wünschte sich, sie von ihrer Haut nehmen zu können, zusammen mit allem, was ihr geschehen war, seit ihr Wahnsinn sie dazu getrieben hatte, ihn zu verlassen. Er wünschte sich die Jahre zurück, um sie neu zu formen, als seine Frau und die Mutter seiner Kinder, um sie zu reinigen von dem Übel, das noch immer in ihr brannte. Er war weder töricht noch blind. Was sie damals gemurmelt hatte, über ihre Kinder gebeugt und ihre Götter beschwörend,
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