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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nicht eigenen Blutes der Familie einzupfropfen. Diese Römer waren noch halbe Barbaren, gewiß, und ihre Gesetze und Rechte stammten zum Teil noch aus der Zeit ihres Voll barbarentums; aber so unsittlich konnte ihre praktische Justiz trotzdem nicht sein, den Sinn der Gesetze glatt ins Gegenteil zu verkehren.
      Lange indes hielt sich Josef mit diesen Meditationen nicht auf. Das Ganze war ein Zirkel. Wenn Recht Unrecht war, warum sollte es sich nicht, mittels geschickter Ausdeutung, wieder in Recht zurückbiegen lassen? Blieb nur die Frage, ob sich sein Fall in der Halle des Sittengerichtshofs als ebenso biegsam erweisen wird wie in den Räumen des Marull.

    Ein paar Tage später bat Marull den Josef zu sich. Diesmal hatte er einen gewissen Oppius Cotta zugezogen, einen Rechtskonsulenten. Es war Brauch, daß, um einen Mandanten zu vertreten, ein guter Redner und ein guter Rechtskundiger sich zusammentaten; dieser tiftelte die formal juristischen Argumente aus, jener verarbeitete sie rednerisch. Marull hatte also mit seinem Oppius Cotta den Fall durchgesprochen. Natürlich, meinte der Rechtskonsulent, werde die Gegenpartei versuchen, durch allerlei Einwände die Adoption bis zur Volljährigkeit des Knaben hinauszuziehen. Es komme darauf an, den Scheidungsprozeß der Dame Dorion nach Möglichkeit zu verzögern und das Adoptionsverfahren um so mehr zu beschleunigen. Alles hänge davon ab, wer schneller zum Zuge komme, die Dame mit der Scheidung oder Flavius Josephus mit der Adoption.
      Josef erkannte, daß Marull ihm mit seinem Vorschlag eine gute Waffe in die Hand gegeben hatte. Aber in der Angelegenheit mit Dorion überrannte seine Leidenschaft immer wieder seine Klugheit. Statt abzuwarten, was Dorion beginnen werde, beschloß er einen letzten Versuch, sich mit ihr zu einigen. Sicherlich war es unklug, Dorion auf die juristische Methode aufmerksam zu machen, die man einschlagen wollte. Sicherlich wird Marull ihm dringend abraten, nochmals zu ihr zu gehen. Josef wünschte aber nicht, daß man ihm abrate, er verschwieg dem Marull sein Vorhaben. Ihm lag daran, Dorion zu sehen, ihre Stimme zu hören. Er fuhr nach Albanum.
      Das Haus lag hell und weiß auf seinem Hügel. Der Türhüter führte ihn in die Wandelhalle. Es roch nach Farbe. Das Fresko war noch nicht fertig, aber schon sah Josef an den Wänden dreimal den stolzen, fleischigen Kopf des Fabull. Auf kunstreich verziertem Sockel stand die Aschenurne. Alles ringsum war dazu angetan, den Josef zu ärgern. Höhnisch sagte er sich, daß diese Asche da bestimmt nicht die des Malers Fabull sei, sondern irgendwelche, vielleicht sogar eines Tieres.
      Da war schon Dorion. Als man ihr den Josef gemeldet hatte, war ein bösartiges Siegergefühl in ihr hochgestiegen. Jetzt konnte er kommen. Sie sei erstaunt, ihn zu sehen, begann sie. Hätten sie nicht beide ihr letztes Wort gesprochen? Nein, erwiderte er, bittend, zuredend. Er habe sich ein Neues ausgedacht, einen Vorschlag, sie beide in Güte voneinander zu lösen, ohne die widerwärtige Zeugenschaft ganz Roms. Sie erwiderte nichts, sie wartete, Ablehnung auf dem Antlitz.
      Josef stand unbehaglich in der Wandelhalle, die neugemalten Köpfe des Fabull um sich. Hier konnte man nicht Kontakt bekommen, hier wurde jedes Wort und jede Bewegung steif und gezwungen. Im Innern der Halle war ein gepflegter Garten mit einem Steintisch und steinernen Bänken und Sitzen. Er hätte sich gern gesetzt, aber sie forderte ihn nicht auf. Sie blieb stehen und ließ auch ihn stehen. Scharf und dünn in der reinen Luft hob sich ihre Gestalt. Man war wie auf einer Bühne. Sie war ihm verhaßt, er selber war sich verhaßt, er hätte den Marull fragen, er hätte nicht kommen sollen. Aber nun war er da, und nun mußte er sprechen.
      Er sei bereit, sagte er, in die Scheidung zu willigen und für ihren Unterhalt zu konzedieren, was immer sie billigerweise verlange. Er denke an eine Rente von vierzigtausend Sesterzien. Das seien zwei Drittel seines Einkommens. Er sei weiter bereit, und es fiel ihm schwer, für diesen Vorschlag die Lippen auseinanderzubringen, auch die Büste des Basil zu bezahlen und hier die Gemälde des Theon. Er könne freilich diese Beträge nicht alle auf einmal aufbringen, aber über die Termine werde man sich verständigen. »Schön«, sagte Dorion und genoß den Kampf und die Demütigung seines nackten, bewegten Gesichtes.
      »Ich habe dafür nur eine Bitte an dich«, fuhr er fort. »Meine Freunde raten mir,

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