Die Söhne.
übernahm, begab er sich übrigens offenkundig in Gefahr; noch immer hing über seinem Haupt die Drohung jenes Gesetzes gegen die Denunzianten. Allein gerade das machte ihm den Kampf reizvoll.
Er hatte eine Idee. »Wie wäre es, wenn Sie Ihren Sohn adoptierten?« schlug er dem Josef vor. Josef sah überrascht hoch, aber, geschult an der Kasuistik der Universität Jerusalem, erkannte er rasch die Möglichkeiten in dem Plan des Römers. »Adoption«, setzte der ihm auseinander, langsam dozierend, »ist die Heranziehung eines neuen Familienmitglieds durch Wahl. Da in Ihrem Fall die natürliche Zeugung nicht genügt hat, Ihren Sohn zum Familienmitglied zu machen, ergänzen wir eben den Mangel durch Heranziehung mittels Wahl. Bin ich verstanden? Oder kennt Ihr jüdisches Recht den Begriff der Adoption nicht?« erkundigte er sich höflich. Josef war beinahe gekränkt. Gewiß gab es Parallelen im jüdischen Recht. Wenn Lea und Rahel ihre leibeigenen Mägde dem Jakob zuführten und dieser die Kinder solcher Zeugung anerkannte, war das etwa nicht Adoption? Und war nicht Esther die Adoptivtochter des Mardochai? Dazu kamen die Vorschriften über das Levirat. Fachlich setzte er, der jüdische Jurist, dem römischen Juristen die seiner Meinung nach sehr simplen Bestimmungen dieser Institution auseinander. »Wir haben da ein sehr einleuchtendes Gesetz«, erklärte er. »Wenn ein Mann stirbt, ohne Kinder zu hinterlassen, dann muß sein Bruder die Witwe heiraten und dem mit ihr erzeugten Sohn den Namen des Verstorbenen beilegen. Es gilt also das zukünftige Kind einer kinderlosen Witwe aus der Ehe mit dem Bruder des verstorbenen Ehemanns als das von letzterem fiktiv adoptierte Kind.« – »Das ist einfach«, anerkannte der römische Jurist. »Unser Recht ist da komplizierter. Die Rechtshandlung selber allerdings nicht. Sie zerfällt in zwei Hauptaktionen, die Loslösung des Kindes aus der bisherigen Mund und die Überführung in die neue Mund. Die Loslösung geschieht durch dreimaligen Verkauf mit Erz und Waage in eine formale Leibeigenschaft. Es müßte also in Ihrem Fall die Dame Dorion den Jungen an einen Dritten, sagen wir an mich, veräußern. Ich gebe ihn frei, und er fällt an die Mutter zurück. Sie verkauft ihn ein zweites Mal an mich, ich gebe ihn abermals frei, so daß er wieder an sie zurückfällt. Sie verkauft ihn ein drittes Mal und zerstört dadurch endlich ihr Recht, das Kind bei ferneren Freilassungen in ihre Mund zurückfallen zu sehen; denn gemäß den Bestimmungen des Zwölftafelgesetzes erlischt diese Mund erst nach dreimaligem Verkauf. Nun beginnt der zweite Teil der Adoptionshandlung, die Aufnahme des Kindes in die Mund des neuen Vaters. Sie, Flavius Josephus, treten in einem Scheinprozeß als Kläger auf und verlangen die Übergabe des Kindes in Ihre Mund. Die Mutter als Beklagte schweigt, anerkennt hierdurch Ihre Forderung, und Paulus fällt an Sie. Sie sehen, das alles ist relativ einfach.« – »Aber Dorion wäre ja verrückt«, erwiderte Josef, »wenn sie in alle diese Dinge willigte.« – »Sie wäre verrückt«, lächelte schlau und juristisch Marull, »wenn sie sich weigerte. Wenn nämlich die Dame Dorion sich dagegen sträubt, daß ihr Sohn aus einem Provinzialen ohne Bürgerrecht ein Mitglied des Zweiten Adels wird, dann werden wir ihr die Würdigkeit abstreiten, ihr Kind zu erziehen. Außerdem gibt sie Ihnen dadurch einen großartigen Scheidungsgrund an die Hand.« – »Aber Dorion«, überlegte laut Josef, »hat sich doch die ganze Zeit hindurch geweigert, für sich und Paulus das Bürgerrecht zu erwerben und unsere Ehe zu voller Legalität erheben zu lassen.« – »Sie denken zu natürlich und zuwenig juristisch«, tadelte Marull. »Sie hätten doch, mein Flavius Josephus, das Vollbürgerrecht für Ihre Frau nur durch Protektion und illegale Mittel erreichen können.« Josef dachte nach. »Ich verstehe«, sagte er, trotzdem ihm der Kopf ein wenig wirbelte. »Sie sehen«, beendete vergnügt Marull seine Belehrung, »bei einigem Geschick kann man den gesunden Menschenverstand selbst mittels des römischen Rechtes durchsetzen.«
Solange Josef mit Marull sprach, schien ihm der Adoptionsplan nicht ganz aussichtslos. Aber als er allein war, stiegen seine ersten Bedenken wieder hoch, und der Plan des Marull schien ihm doch zu abenteuerlich. Der Sinn einer Ehe halber Legalität war doch eben der, die Kinder in der Mund der Mutter zu belassen, der Sinn einer Adoption der, Kinder fremden,
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