Die Söhne.
möglich sagen, aber er kann es nicht, er bringt es einfach nicht fertig, vielmehr schwatzt er weiter, krampfig, in einem selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich schlechten Griechisch, müßiges, läppisches Zeug. »Ja, Homer«, sagt er. »Es steht viel Unsinn im Homer. Aber er versteht sich auch auf Schönheit und Weisheit. Wenn Odysseus die Freier alle erschlägt, die gewalttätigen, die Männer der Tat, dann schont er den Dichter. Sie wissen, was der Schriftsteller wert ist, die Griechen.« Was sagt er denn da? Was geht denn das den Jungen an? Was soll denn Paulus von ihm denken? Trotzdem spricht er noch eine Zeitlang in diesem Ton weiter. Endlich verstummt er, steht nur da und schaut den Jungen an. Dabei ist es jetzt schon ziemlich dämmerig, er müßte wirklich an die Rückkehr denken. Allein er steht da und schaut den Jungen an.
Er wartet so lange, bis Paulus selber Schluß macht. Es werde schon dunkel, meint er, und er müsse jetzt wohl heim. Da endlich rafft sich Josef zusammen und sagt hastig, ziemlich sinnlos: »Ja, ganz recht, auch mein Wagen wartet ja dort unten.« Und dann fährt der Junge weg.
Josef aber, auch das ist falsch, bleibt weiter stehen und schaut ihm nach, bis er außer Sicht ist. Dann, ein wenig stolpernd, in verworrenen Gedanken, geht er zurück nach der Landstraße.
Für Simeon war die Angelegenheit mit dem Hauptmann Lucrio abgetan gewesen, nachdem er ihm auf so spürbare Art die Nieszeichen gesandt hatte. Simeon-Janiki war kein Philosoph. Was er dem Hauptmann und mehr noch seinem Kameraden Constans hatte zeigen wollen, war wohl, daß ein elfjähriger Judenjunge Glück und Unglück kündende Wahrzeichen ebenso handhaben könne wie ein ausgewachsener, römischer Eingeweidebeschauer und Vogelflugdeuter, und daß es also mit den religiösen Meinungen des Hauptmanns nicht weit her sei. Ob das den andern ganz klar wurde, daran lag ihm nichts, vielleicht war es ihm selber nicht ganz klar, jedenfalls hatte er, des war er sicher, die Sache fair und männlich erledigt.
Constans aber kam nicht so einfach darüber weg. Es wurmte ihn, daß Simeon sich über seinen Vater lustig gemacht hatte. Daß er ihn obendrein bei jener dem Ereignis folgenden Prügelei so mild behandelt hatte, kränkte ihn nur noch mehr. Sich von seinem Kameraden zu trennen, vermochte er nicht, doch zeigte er ihm seinen Groll auf dumpfe, hilflose Art. Wenn man etwa Räuber und Soldaten spielte, trennte er sich bei der Einteilung von Simeon, was früher niemals vorgekommen war, und wenn Simeon unter die Räuber ging, ging er unter die Soldaten. Den Simeon ärgerte das, aber mehr noch war er verwundert. Einmal fragte er den Constans geradezu, was los sei, was er, beim Herkel, gegen ihn habe. Constans wich aus. Simeon dachte sich, es werde wohl wegen des grauen Eichhörnchens sein. Gutmütig bot er dem Constans an, er wolle ihm das Tier auf einen Monat leihen. Aber Constans, nach einigem Zögern, sagte männlich: »Geschäft ist Geschäft«, nahm das Eichhörnchen nicht und blieb weiter muffig und verstockt.
Eines Tages, als Constans wieder einmal Soldat, Simeon aber Räuber war, wurde der Kampf besonders erbittert. Es war selbstverständlich, daß die Soldaten, nicht die Räuber die »Große Deborah« benutzten. Nicht selbstverständlich war, daß die Soldaten das Lied mit dem Hep-Refrain anstimmten: »Was hat der Jud im Tempel? / Ein Schwein, Hep, Hep, ein Schwein.« Im Gegenteil, das war eine Frechheit, da doch schließlich die »Große Deborah« eine Erfindung der Juden und es somit höchst unbillig war, wenn die, die sie benützten, dieses Lied sangen. Der erbitterte Simeon setzte also seinen ganzen Ehrgeiz darein, mit seinen Räubern das Geschütz wieder in seine Hand zu kriegen. Aber der erste Sturmangriff war vergeblich, die andern hatten die bessere Mannschaft. Die Räuber zogen sich ziemlich weit zurück, um die »Große Deborah« mit langem Anlauf in endgültiger Attacke zu nehmen. Das Geschütz selber trat in Tätigkeit, Constans bediente es, er schoß schnell, treffsicher. Er sah voraus, daß diese Attacke gelingen und daß sein nächster Schuß sein letzter sein werde. Er richtete das Rohr auf Simeon, schoß, traf.
Er traf sehr gut. Simeon, im Begriff vorzustürmen, fiel um und blieb liegen. Die andern dachten zuerst, es sei Spiel, die Räuber stürmten weiter, und die Soldaten wehrten sich weiter. Aber als Simeon liegenblieb, wendeten sie sich zurück, und sie sahen, daß die Kugel, die
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