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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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eingestürzt waren. Seine Träume von der geistigen Herrschaft Israels hatten sich grob veräußerlicht, er hatte eitle, plumpe Symbole benötigt, wie die Bildsäule in der Bibliothek des Friedenstempels: nun war es mit solchen Dingen auf lange hinaus zu Ende, und das war gut so.
      Er kam mit der Arbeit nicht vom Fleck. Sein neuer Sekretär, der Syrer Machon, störte ihn mehr, als daß er ihm half. Sein Griechisch war untadelig, aber es hatte keine Musik. Die Sätze, die Josef mit ihm ausarbeitete, gaben den Sinn korrekt wieder, aber es fehlten die Schwingungen, die Josef im Aramäischen und Hebräischen erreichbar waren. Josef empfand schmerzlich seine eigene Unzulänglichkeit, er entbehrte Phineas.
      Immerhin zwang er sich eine Zeitlang, methodisch zu bestimmten Stunden zu arbeiten. Doch eines Tages konnte er es nicht mehr. Er war Wochen hindurch mit seinem Sohne Paulus nicht zusammen gewesen. Im Geist sah er ihn vor sich, schlank, blaßbraun, zart und kräftig, hörte seine Stimme. Es litt ihn nicht länger bei der lustlosen Arbeit. Er mußte fort aus der Stadt, er mußte ins Freie.
      Der nächste Weg nach Albanum wäre der auf der Appischen Straße gewesen. Aber er ging vors Latinische Tor und ließ sich ein gutes Stück Wegs auf der Latinischen Straße fahren. Erst kurz vor Ferentinum hieß er den Kutscher nach dem Albanischen See zu abbiegen. Es war nicht seine Absicht, Dorion oder Paulus zu sehen: aber was sollte ihn hindern, wenigstens eine Luft mit seinem Sohn zu atmen?
      Er erging sich in der hügeligen Landschaft. Anmutig lag der See, dort drüben glänzte das Meer, und hier, prunkvoll, hoben sich weit und weiß die Bauten des Prinzen. Josef war Stadt mensch, die schöne Landschaft sagte ihm nicht viel. Es war schon spät im Sommer, es wird bald dunkel werden, es war ziemlich kühl. Er ging vor sich hin, nachdenklich, voll müder Bitterkeit.
      Dies dort war die Villa Dorions. Hätte man ihn um Rat gefragt, er hätte sie höher bauen lassen, stattlicher, mit mehr Terrassen. Aber Dorion verstand das wahrscheinlich besser. Auf alle Fälle, das hatte er leider erfahren, war ihre Schlichtheit bedeutend kostspieliger. Was sie wohl für ein Gesicht machte, wenn er jetzt vor sie hin träte? Oh, er wußte es genau, er brauchte es nicht noch einmal auszuprobieren.
      Er ging zurück, der Straße zu, wo sein Wagen wartete. Plötzlich, auf einem Hügelkamm, sah er ein Ziegengespann auftauchen, ein ihm wohlbekanntes. Er wußte, daß er die ganze Zeit darauf gewartet hatte; er hatte es sich nur nicht eingestanden. Denn wozu sonst wäre er hierhergefahren, wozu sonst in dieser Gegend herumgegangen zu der Stunde da sein Sohn Paulus seine Ausfahrt zu machen pflegte? Sehr groß in der reinen Luft, auf dem Kamme des Hügels, klar im Licht, fuhr Paulus einher, aufrecht stehend in dem kleinen Gefährt, lässig und geschickt, sehr ernsthaft. Josef sah jede Einzelheit mit außerordentlicher Schärfe, jede Falte in dem leichtwehenden Gewand des Knaben, jedes Haar des Ziegenbocks Paniscus.
      Er selber stand gegen das Licht in einer Talsenkung. Der Junge konnte ihn sehen, aber er mußte ihn nicht sehen. Wenn er sich still hielt, dann war es leicht möglich, daß Paulus ihn nicht gewahrte. Aber wenn er sich regte oder gar weiterging, dann mußte er wohl auf ihn aufmerksam werden. Josef schämte sich und hielt still.
      Paulus fuhr auf dem schmalen Pfad oben auf dem Kamm. Er sah gerade vor sich hin auf seinen Weg, er fuhr langsam, elegant, locker. Plötzlich versteifte er sich und wurde ungeschickt, seine Haltung bekam etwas Krampfiges. Josef hielt nach wie vor ganz still. Wird er weiterfahren? Paulus fuhr weiter.
      Josef, in seinem Rücken jetzt, regte sich noch immer nicht. Ihn fror. Sein Junge fuhr an ihm vorbei. Sein Junge hatte ihn gesehen und fuhr an ihm vorbei.
      Da, unvermutet, wendete das Gefährt. Das war nicht leicht, aber Paulus machte es geschickt. In Schlangenlinien fuhr er den Hügel herunter, klug stellte der Bock Paniscus die Füße, das Gefährt kam auf Josef zu. Paulus nahm die kleine Peitsche in die linke Hand, senkte sie und streckte den rechten Arm mit der flachen Hand zum Gruß aus wie ein Rennfahrer, der in der Arena die Schaurunde fährt. Josefs Herz hob sich, schlug in Stößen. Der Junge kam näher, hielt vor ihm, das Gesicht ein wenig lächelnd, seine Verlegenheit mit Mühe meisternd.
      Josef sagte, seine Stimme klang belegt, das Sprechen fiel ihm nicht leicht: »Jetzt

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