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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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kutschierst du aber, daß du dich in der Arena sehen lassen könntest.« – »Ja, mein Paniscus ist jetzt großartig gezogen«, sagte Paulus.
      Erregung hatte ihn gepackt, eine scheue Freude und Zärtlichkeit, als er seinen Vater erspäht hatte. Dessen Gewohnheit war es sonst nicht, aufs Land zu fahren und Spaziergänge zu machen. In letzter Zeit freilich, seit dem Tod seines Großvaters Fabull, sprachen die Mutter und Phineas sehr unfreundlich über den Vater, und die Maßlosigkeit, mit der dieser in des Paulus Gegenwart seinen verehrten Lehrer Phineas zurechtgewiesen, hatte in dem Knaben einen Stachel zurückgelassen. Allein wie er jetzt den Vater erblickte, war trotzdem ein warmes Gefühl in ihm hochgestiegen. Es verwirrte ihn, daß dieser Mann, sein Vater, der große Schriftsteller und Freund des Kaisers, scheu wie ein entlaufener Leibeigener in der Landschaft herumstrich, um das Haus herumschleichend, in der unbestimmten Hoffnung, ihn zu sehen. Gleichzeitig aber dachte er an die Kränkung der Mutter und die Kränkung des Phineas, er war voll von Verlegenheit und Unmut, und sein erster Gedanke war, sich blind zu stellen, glatt weiterzufahren. Doch dann sagte er sich, es wäre feig, sich zu drücken. Man darf dem Unbequemen, Widrigen nicht aus dem Weg gehen, man muß sich ihm stellen, so entspricht es den Prinzipien des Schönen und Guten; das lehrte ihn Phineas jeden Tag. Und während Unmut gegen seinen Vater ihn füllte, war er trotzdem stolz, daß er die weite Fahrt gemacht hatte, nur um ihn, vielleicht, zu sehen, und stolz vor allem war er, daß sein Vater ihn gerade in dem Augenblick getroffen hatte, da er ihm seine Kunst in ihrem besten Glanz vorführen konnte. Die Wendung da oben auf dem Hügelkamm, die war, beim Herkules, höllisch schwer gewesen, da hätten die meisten versagt, und er freute sich, wie gut er sich im Angesicht des Vaters bewährt hatte. Doch schon während er Richtung auf Josef nahm, überlegte er wieder, wie sehr es seine Mutter und Phineas verdrösse, wenn sie ihn zusammen mit Josef sähen, und er beschloß, sich nicht in eine längere Unterredung mit dem Vater einzulassen. So elegant er hergefahren war, so steif und ungelenk stand er jetzt, hin und her gezerrt von seinen Empfindungen, auf seinem schwankenden, kleinen Wagen.
      Josef, sonst nicht eben sehr tiefsichtig, wenn es um Paulus ging, erriet diesmal die Gedanken des Jungen genau. Er hätte gerne gefragt, was die Mutter mache und wie es um die Vollendung der Villa stehe, aber er fürchtete, dadurch an seine eigene schwächste Stelle zu rühren und den Jungen noch scheuer zu machen. Er sagte nur ein paar allgemeine Sätze: wie angenehm es sei, noch um diese Zeit auf dem Lande zu leben, und wie bequem Paulus hier seinen Tag zwischen Studium und Sport teilen könne. Paulus, ein wenig schwunglos, erwiderte, die Kameraden fehlten ihm, er langweile sich hier, so allein. Man brauche den Wettstreit, fügte er altklug hinzu.
      Josef hörte aus diesen letzten Worten den Phineas heraus. Doch war in ihm die Freude, daß Paulus nicht, wie er zuerst stockenden Herzens gefürchtet hatte, an ihm vorbeigefahren war, noch genoß er den Anblick des Sohnes, freute sich seines wehenden Haares, seiner Stimme, aber schon sagte er sich: Es ist Phineas, der Verfluchte, dem ich das zu danken habe. Phineas lehrt ihn Selbstzucht, lehrt ihn, man dürfe auch dem Peinlichen nicht aus dem Weg gehen. Phineas bringt ihm die Lehren der Stoa bei. Was sind das schon für Lehren. Wie platt und armselig sind sie, wenn man sie mit der Weisheit des Predigers, des Kohelet, vergleicht. Kohelet möchte ich dem Jungen beibringen. Nicht jetzt, später natürlich. Es ist ein verdammt schwieriges Buch. Der Kohelet verstand die Griechen, aber die Griechen haben Mühe, ihn zu verstehen. Ach, Paulus, mein Sohn, würde das Buch verstehen, wenn ich nur Gelegenheit hätte, es ihm aufzuschließen. Ich könnte verrückt darüber werden, daß ich sogar dieses kurze Gespräch dem Phineas ver danke. Josef weiß, daß es unklug ist, das Zusammensein länger auszudehnen. Er kennt genau die Prinzipien des Schönen und Guten, wie Phineas sie seinen Jungen lehrt, das hohe Lob der Selbstbeherrschung, er weiß, daß Paulus es ihm übelnimmt, weil er nun dasteht, seine Gefühle zeigt, sich nicht von ihm trennen kann. Er sollte sagen: Dort unten wartet mein Wagen. Und weiter gute Fortschritte im Homer und im Kutschieren. Und grüß die Mutter und Phineas. Das sollte er so leicht wie

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