Die Söhne.
Weisheit. Aber sie gab ihm keinen Trost. »Ich habe erkannt, daß alles, was Gott macht, so bleibt in Ewigkeit. Nichts kann man hinzutun, und nichts kann man davon wegnehmen. Was ist, ist längst gewesen, und was noch sein wird, ist längst gewesen. Und weiter sah ich, wie es unter der Sonne zugeht: wo Milde sein sollte, war Bosheit, und wo Gerechtigkeit sein sollte, Unrecht. Da dachte ich in meinem Herzen, das ist von Gott der Menschen wegen so eingerichtet, damit sie einsehen, daß sie nicht mehr wert sind als das Vieh. Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh, und sie haben ein Geschick. Wie dieses stirbt, so stirbt jener; einen Odem haben sie, und der Vorzug des Menschen vor dem Vieh ist ein Nichts, und alles ist eitel. An einen Ort geht alles: aus Staub ist es geworden, und es kehrt zurück in den Staub. Wer will wissen, ob der Geist des Menschen in den Himmel steigt und der des Viehs in die Tiefen der Erde?« So hat es einer gesagt, mit Namen Kohelet, vor ein paar hundert Jahren, wer könnte es besser sagen? Was braucht man da ihn, Flavius Josephus, und seine »Universalgeschichte«?
Der das sagte, jener Kohelet, war ein kluger Mann. Sie haben ihn nicht gemocht, und sie mögen ihn heute nicht, ihn nicht und sein Buch nicht. Durch Jahrhunderte haben sie in Jerusalem gestritten, ob sie sein Buch unter die Heiligen Schriften aufnehmen sollen, und jetzt noch streiten sie darüber in Jabne. Er ist zu klug und zu höhnisch, der Kohelet. »Es gibt für den Menschen nur das eine: essen und trinken und sich von seiner Arbeit ein gutes Leben machen.« Das ist sein Resultat, das ist der letzte Schluß desjenigen, der am meisten geforscht hat auf dieser Erde. Sechzehn verschiedene Arten des Forschens hat er angewandt, und sechzehn gute Worte für diese sechzehn Arten hat er gefunden, und dies ist sein Resultat: »Alles ist Haschen nach Wind« und »Es gibt nichts als essen und trinken.«
Dann wieder überkam Josef die Wut. Gott hält ihn zum Narren, Gott schaukelt ihn auf und ab, er spielt mit ihm wie das Meer mit einem Stückchen Kork. War es nicht erst wenige Wochen her, daß er zu Titus ging, großartig, auf der Höhe seines Glücks, und innen und außen war alles Glanz und Erfüllung? Und jetzt hat sich Jahve diesen blöden Witz mit ihm erlaubt. Das einzige, was er seinem Sohne Simeon beigebracht hat, war ein wenig Kunde von Geschütztechnik, und ausgerechnet durch diese alberne Parodie der Kriegsmaschine, die er ihm so stolz beschrieben, haben Jahve und die Gojim ihn umgebracht.
Was hat er verbrochen, daß Gott sich an ihm mit einem so läppischen Spaß vergriff? Er wollte seinen griechischen Sohn zu Gott führen. Ist das ein Verbrechen?
Er stand auf, sein Atem ging gewalttätig, er fauchte gegen Gott. Schön, man konnte ihn aufblättern, und Schicht um Schicht zerfiel, und man fand eine leere Hülse hinter der andern. Oben ist er ein Römer, aber wenn man ein wenig kratzt, dann wird er zum Weltbürger, und kratzt man noch mehr, dann ein Jude, und kratzt man ganz tief, dann geht auch das ab. Aber eines bleibt, eines kann man nicht wegkratzen, eines ist er: Josef Ben Matthias, Flavius Josephus, ein Häufchen Eitelkeit vielleicht, aber ein Wer jedenfalls, ein Ich. Das mag seine Schande sein, aber mehr noch ist es sein Stolz. Er erzählt zum Beispiel nicht von Ziffern, er tut das nicht, er mag nicht, er erzählt von lauter solchen Menschen, wie er einer ist, von lauter Ichs. Und so behauptet er sich vor Gott. Gott hat nicht das Recht, mit diesem Ich so umzuspringen. Sonst hätte er es nicht so machen dürfen.
Wie Hiob empörte er sich gegen Gott und sagte ihm Streit an. »Ich war eitel, ich habe mich überhoben«, gestand er einem unsichtbaren Richter ein. »Ich verstecke nichts. Trotzdem kränkt Jahve mich zu Unrecht und hat mir zu Unrecht meinen Sohn erschlagen. Wenn ich eitel war, hat nicht Jahve mich dazu gemacht? Wenn ich eitel war, war ich es nicht für Jahve? Ich wollte zeigen, daß ein Knecht Jahves menschlicher ist, göttlicher als ein Knecht Jupiters. Das war meine Eitelkeit. Und die vertrete ich. Und nun ist es an Jahve: er rede.«
Allein nach diesem Ausbruch seiner Wut und seines Stolzes sank er doppelt gering in sich zusammen. Ganz genau wußte er, daß er diesen seinen Sohn Simeon zu wenig geliebt hatte und daß er darum an ihm gestraft worden war. Sein Herz war lässig, sein Gefühl war arm, das war seine Schuld. Es war eine große Schuld.
Alles bis jetzt, sein Tun und sein
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