Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Leiden, ist durch ihn hindurchgegangen. Er hat sich geschüttelt, und es war nicht mehr da, und er konnte neu beginnen. Diesmal kann er es nicht. Dies wird immer dasein. Durch all seine Zukunft wird jetzt Simeon um ihn sein mit der Forderung, die er an ihn hat.

    Josef blieb die ganze Nacht in dem Zimmer neben der Leiche. Alexas kümmerte sich nicht um ihn. Die Nächte waren schon ziemlich kalt, Josef war erschöpft und wohl auch hungrig, aber er dachte nicht daran.
      Am späteren Morgen brachte man zwei Besucher zu ihm, den Hauptmann Lucrio und seinen Sohn Constans. Die beiden standen verlegen herum. Sie wußten nicht, was sie zu dem blassen, verwildert ausschauenden, unrasierten Mann sagen sollten. »Ich bin ohne Schuld«, sagte schließlich Constans, seine Stimme klang rauh und gestoßen, es fiel ihm nicht leicht, zu sprechen. »Es war ein Stein. Ich weiß nicht, wer ihn in die Röhre getan hat. Aber ich bringe es noch heraus und zerschlage ihm die Knochen. Beim Herkel«, fügte er hinzu, er hatte diese Gewohnheit von seinem Freunde Simeon angenommen.
      Josef schwieg. Nun kamen sie also, die Mörder. Er bemühte sich, aufzufassen, was Constans gesagt hatte, das war nicht leicht. Aber es gelang ihm. Hat er nicht gesagt, er sei ohne Schuld? Vielleicht ist er es, sicher glaubt er es. Aber wer ist ohne Schuld? Alle haben sie zusammengeholfen, alle haben sie seinen jüdischen Sohn gehetzt. Zuletzt tat er den Mund auf, es gelang ihm zu sprechen. »Ja«, sagte er, »natürlich, du bist ohne Schuld, beim Herkel.« Er lächelte sogar. Das freilich war ungeheuer mühevoll.
      Den Hauptmann Lucrio hatte es Überwindung gekostet, diesen Gang zu machen. Er fand es fair, daß er hier war, und Josef, schien ihm, würdigte diese Fairneß nicht genügend. Flavius Josephus war zwar römischer Ritter und hatte Zutritt zum Kaiser, aber er blieb schließlich doch nur ein Jude. Man sah es auch daran, wie er sich jetzt verhielt. Im Nebenzimmer zu hocken, das Bett umzustürzen, was für barbarische abergläubische Sitten. Lucrio, als alter Soldat, liebte es, frei von der Leber weg zu sprechen, und hatte Lust, seine Ansicht in klaren Worten zu äußern. Da jedoch infolge einer unglückseligen Fügung sein Constans es war, der den Simeon getötet hatte, und da, wer weiß, der Tote vielleicht zuhören und später rächend eingreifen konnte, zog er es vor zu schweigen.
      Er trat mit seinem Sohne näher an die Leiche heran. Er hatte gleich geahnt, daß die Freundschaft mit dem Juden nicht gut ausgehen werde. Jetzt liegt dieser Simeon tot auf dem umgestürzten Bett, und sein Constans ist schuld daran. Er wird für alle Fälle, um einer Rache des Toten zuvorzukommen, sich den Constans selber noch einmal vornehmen und ihn tüchtig durchprügeln. Überhaupt war es geboten, sich mit dem Toten zu verhalten, ganz abgesehen davon, daß der Kleine für einen Juden ein ungewöhnlich netter, geweckter Junge gewesen war. Das Bett haben sie umgestürzt, diese Abergläubischen, aber das Wichtigste haben sie wahrscheinlich versäumt. Und Lucrio zog eine Kupfermünze heraus und legte sie dem Simeon unter die Zunge, auf daß der sein Fährgeld für den Totenschiffer Charon bei sich habe.
      Constans schielte nach der Leiche, zerstoßen vor Scham und Zerknirschung. Er hat sich furchtbar blöd benommen. Wahrscheinlich hat sein Kamerad nicht einmal gewußt, warum er eigentlich mit ihm verkracht war. Er war ein großartiger Bursche gewesen, sein Freund Simeon. Wie er die »Große Deborah« fertiggebracht hat, das war eine Leistung, und zuletzt noch hat er ihm das graue Eichhörnchen angeboten. Wenn er offen mit ihm gesprochen hätte, dann wären sie zusammengeblieben, sei es als Räuber, sei es als Soldaten, und dieses
    Scheußliche wäre nicht passiert.
      So standen die beiden bei der Leiche, und Josef hockte im Zimmer nebenan. Dann, nach einer geziemenden Weile, hob der Hauptmann grüßend die Hand gegen den Toten, wie ein anständiger Römer es in einem solchen Fall machte, dreimal, und das gleiche tat sein Sohn, und sie riefen: »Leb wohl, mein Simeon.« Dann, brummig, mit kurzem Gruß gegen Josef, zog sich Lucrio mit Constans zurück.
      Später am Tag kam Alexas. Der sonst so ruhige und höfliche Mann zeigte dem Josef auch jetzt das gleiche, herausfordernde Gesicht wie am Abend vorher. »Ich habe zusammen mit Doktor Licin die Beerdigung arrangiert«, sagte er. »Wir werden ihn morgen beerdigen, vor dem Appischen Tor.«
      Josef saß, er

Weitere Kostenlose Bücher