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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Sache versagen. Er hielte es für eine Sünde an dem Knaben Paulus, ihn jüdischem Einfluß auszusetzen. Doktor Josef habe von dem Philosophen Kohelet gesprochen.
      In dem Buch dieses Mannes stehe manches Ausgezeichnete
    und vieles Absurde; aber das Ausgezeichnete wiederhole nur, was einige Griechen lange vorher gesagt hätten. Ja, geradeheraus: je mehr jüdische Bücher er im Dienste des Josef gelesen habe, so deutlicher habe er erkannt, mit wie großem Recht zahlreiche Griechen in der jüdischen Lehre nichts anderes sähen als eine Sammlung ungereimter, abergläubischer Vorstellungen. Er habe nichts dagegen, daß ein gebildeter Mensch ein bißchen Aberglauben mit sich herumtrage. Wenn zum Beispiel die Dame Dorion ab und zu Meinungen äußere, die noch aus der Welt ihrer ägyptischen Kinderfrau stammten, so finde er das liebenswert und reizvoll. Aber eben nur im Munde der Dame Dorion. Werde hingegen etwa der junge Geist des Paulus mit jüdischen Lehrmeinungen angefüllt, dann, fürchte er, werde das die natürliche Anmut, die der Himmel dem Knaben mitgegeben, keineswegs erhöhen, sondern es werde dadurch in dem schönen und begabten Jungen nur jene Scheu und Finsternis großgezogen, die man an so vielen Bewohnern des rechten Tiberufers wahrnehme.
      Josef lief auf und ab. Merkwürdigerweise empörte ihn mehr als das Nein des Mannes sein freches Geschwätz über den Kohelet. Dieser Mensch spürte den Rhythmus jedes kleinsten griechischen Spruchschreibers: aber vor der tiefen Musik des Kohelet verschloß er Herz und Ohr. Doch Josef bezwang sich, er wird nicht mit einem Phineas über den Kohelet rechten. Was ist schon dieser Phineas? Ein armer Mensch. Sein borniertes Griechentum hindert ihn, Größe wahrzunehmen, wenn sie nicht an einem Griechen sichtbar wird. Wie immer, ob arm oder boshaft, es durfte zwischen diesem Menschen und seinem Paulus keine Gemeinschaft sein.
      Noch bevor der Sekretär geendet, stand Josef still, die Beine leicht gegrätscht, die Hände hinterm Rücken. Sachlich, nach einem kleinen Schweigen, stellte er fest: »Gut, Phineas, Sie wollen mir also nicht helfen?« – »In dieser Sache nicht«, bestätigte der andere. »Dann gebe ich Ihnen Auftrag, Freigelassener Phineas«, sagte Josef, er hob kaum die Stimme, »hier in meinem Hause in Rom zu bleiben. Wollen Sie, bitte, aus der Übersetzung der Siebzig das Buch Kohelet hersuchen und mir notieren, wo Sie das Griechisch des Werkes als hart und nicht zeitgemäß empfinden. Machen Sie mir, bitte, Verbesserungsvorschläge.« Phineas neigte stumm und höflich den großen Kopf.
      Nach wenigen Tagen schrieb Dorion dem Josef, er möge zu ihr nach Albanum kommen. Diesmal also hatte er sie getroffen, die Hochmütige. Wie der Grieche, der Hund, von ihr gesprochen hatte. Wie zärtlich bei aller Überlegenheit.
      Wieder empfing ihn Dorion in der Wandelhalle. Heute aber hieß sie ihn sich setzen, und sie saßen an dem Steintisch im Garten, und sie war höflich. Das Unglück, das den Josef getroffen hatte, der Tod seines Sohnes, seine wüste, hemmungslose Trauer, das alles war für sie eine tiefe, bittere Genugtuung gewesen. Er hat seinen Prozeß gegen die Götter verloren, der Stolze, der Totenrichter. Jetzt kann er seinem toten Bastard die Ehren des Jenseits erweisen, die er ihrem Vater versagt hat. Sie weiß genau, wie tief ihn der Tod seines jüdischen Sohnes hat treffen müssen, nachdem sie ihm seinen griechischen Sohn ein für allemal genommen hat.
      Da sie ihn nicht mit der abweisenden Härte empfing wie das letztemal, ließ Josef sich vor ihr gehen. Ob es nicht sinnlos sei, fragte er, wie sie sich gegenseitig vor den Augen der Welt zerfleischten. Sie möge ihm erlauben, Paulus zum Juden zu machen. Sei nicht der Tod seines Sohnes Simeon eine Mahnung des Himmels, daß man Paulus zum Juden machen solle? Gerne lasse er ihr den Jungen für den größten Teil des Jahres, daß sie und Phineas ihm griechisches Wesen vermitteln: aber auf kurze Zeit, auf vier Monate, auf drei, möge sie Paulus ihm lassen.
      Ach, Dorions Höflichkeit ging nicht tief. Schon verhöhnte sie ihn. Gewiß sei der Tod seines Simeon ein Zeichen der Götter. Aber er deute es falsch. Nur eines wolle der Himmel ihm zeigen: wie sehr er sich überhoben habe. Gegen ihn und seine Anschauungen spreche das Zeichen, nicht gegen sie und Paulus.
      Josef sagte: »Nimm es, wie du willst, Dorion. Ich bin nicht gekommen, zu streiten. Gib mir Frieden, Dorion. Ich bin müde zum

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