Die Söhne.
können, wie Sie es wünschen. Mißverstehen Sie mich, bitte, nicht. Ich hoffe, durch mein Beispiel zur Genüge bewiesen zu haben, daß jemand gleichzeitig ein guter Jude und ein guter Römer sein kann. Trotzdem ist Judentum mehr als eine Meinung, eine Ideologie. Jahve nämlich ist nicht
nur Gott, er ist auch der König Israels.«
»Ein Titel, ein Name«, zuckte Flavius Silva die Achseln. »So ist Jupiter der Herrscher Roms.«
»Weshalb sich auch der Kaiser zum Erzpriester Jupiters gemacht hat«, erwiderte Josef.
Flavius Silva lächelte. »Es steht nichts im Wege, daß ihr den Kaiser zum Erzpriester Jahves macht.«
»Das geht leider nicht«, bedauerte Josef.
»Ich weiß«, antwortete Flavius Silva. »Der Kaiser müßte sich vorher beschneiden lassen. Nein«, fuhr er fort, »Sie spielen mit Worten. Ich muß Ihr Judentum gegen Sie in Schutz nehmen. Es ist Religion, nichts sonst. Seien Sie froh, daß es so ist. Wenn Sie nämlich recht hätten, müßte ich noch heute Order geben, die Universität Jabne zu schließen.«
Er ließ sein Pferd einen noch langsameren Gang annehmen und schaute dem Josef ins Gesicht. »Ich glaube«, sagte er mit unerwartet scharfer Stimme, »Sie halten uns für dümmer, als wir sind, mein Flavius Josephus. Wer keine Macht hat, muß sich schon mit abstrakter Religion begnügen, mit einem unsichtbaren Gott. Wir werden dafür sorgen, daß sich nicht gewisse Ambitionen auf dem Umweg über die Religion in die Politik einschleichen. Wir erlauben eine ganze Reihe fremder Religionen und fördern sie, soweit sie Religionen sind. Das sind sie in dem Augenblick nicht mehr, in dem sie mit der Staatsreligion in Konflikt kommen. Denn diese ist nicht nur eine Ideologie, sie ist ein Bestandteil des politischen Apparats. Deshalb sorgen wir dafür, daß Personen, die in der Staatsreligion geboren sind, ihr nicht abspenstig gemacht werden können.«
Josef sah auf den neben ihm Reitenden. Das freundliche, behagliche Gesicht des Mannes hatte sich verhärtet, nichts Joviales war mehr darin, es war das unerbittliche Gesicht Roms, das alles zur Vernichtung verurteilte, worin es die leiseste Gefährdung seiner Macht witterte.
Der Gouverneur sprach weiter. »Wir können, da wir stark sind, ruhig zulassen, daß, wer will, einem Aberglauben nachgeht. Nicht zulassen können wir, daß ein solcher Aberglaube die Staatsreligion gefährdet. Denn sie ist ein politisches Mittel, eine Waffe. Wer einem im Staatsglauben Erzogenen diesen Glauben nehmen will, versucht, Rom eine Waffe zu nehmen. Das ist Hochverrat. Darum bestrafen wir die Gottlosigkeit eines im römischen Glauben Geborenen. Darum ist es nötig, daß die Beschneidung verboten wird. Darum habe ich erwirkt, daß meine Freunde dieses Gesetz im Senat einbringen.« Damit ließ Flavius Silva das Thema fallen, sein Gesicht entspannte sich, und als die beiden Herren sich trennten, war er wieder ganz der alte, lärmende, herzhafte Kriegskamerad.
Mit keinem Wort war von den Prozessen des Josef die Rede gewesen, aber Josef begriff sehr wohl, daß alles, was der Gouverneur gesagt hatte, sich auf seine Rechtshändel bezog. Trotzdem wollte er nicht sehen, daß der Gegner in seiner Streitsache nicht ein einzelner, sondern Rom war. Vielmehr steigerte die Mitteilung, die Flavius Silva ihm gemacht hatte, nur seinen Grimm gegen Dorion und Phineas.
Er berief seinen Freigelassenen Phineas zu sich, wie er es nach dem Gesetz tun konnte. Als der Grieche kam, war er zu ihm besonders höflich. Er verhehlte sich nicht, daß er, sosehr er Phineas haßte, ganz im Tiefen eine gewisse Freude spürte, als er seinen großen, blassen Kopf wieder vor sich sah. Er suchte auszulöschen, was in ihm gegen Phineas war, freundschaftlich geradezu sprach er auf ihn ein, schämte sich nicht seines unbeholfenen Griechisch. »Nichts liegt mir ferner«, setzte er ihm auseinander, »als das Griechentum des Jungen anzutasten. Ich will nur ein Neues hinzutun. Lassen Sie mich den Versuch machen, in unserem Paulus Griechentum und Judentum zu vereinigen. Sie erziehen meinen Sohn in den Prinzipien der Stoa. Sie kennen unser Buch Kohelet. Kann man nicht versuchen, Kohelet mit Zeno und Chrysipp, mit Seneca und Muson zu vereinigen? Versperren Sie mir nicht den Weg zu Paulus. Sie haben sein Herz. Lassen Sie mir ein Teil davon.« Er demütigte sich, trat ganz nahe an Phineas heran, ein Flehender.
Leider müsse er sich, erwiderte still und höflich Phineas, dem Josef in dieser
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