Die Söhne.
vermutlich ein schlechtes Gewissen den Juden gegenüber«, überlegte Josef.
»Die Prinzessin Lucia ist jetzt häufig um ihn«, erwog mit fettiger Stimme Regin.
»Die Prinzessin Lucia ist mir sehr gewogen«, erklärte Josef.
»Es ist Glückssache, in welcher Laune einer den Kaiser findet«, meinte Claudius Regin.
»Ich glaube an mein Glück«, sagte Josef. »Ich habe jetzt Anspruch auf Glück«, behauptete er hochfahrend.
Claudius Regin schaute ihn aus seinen schläfrigen Augen amüsiert an. »Sie wissen gut Bescheid in den Kontobüchern Jahves«, höhnte er.
»Könnten Sie mir die Audienz erwirken?« bat Josef.
»Ich könnte schon«, quäkte mürrisch Claudius Regin. »Aber ich sehe jetzt den Kaiser selten, und ich glaube nicht, daß es für Sie vorteilhaft ist, wenn Sie sich die Audienz gerade durch mich erwirken lassen.«
»Ich danke Ihnen für Ihren Rat«, sagte herzlich Josef.
»Ich verbitte mir Ihren Dank«, lehnte Claudius Regin unwirsch ab. »Ich habe Ihnen keinen Rat gegeben. Ich mache Sie nochmals darauf aufmerksam, daß eine solche Audienz recht unangenehme Folgen haben kann.«
Es war schließlich Lucia, die dem Josef die Audienz erwirkte. Ihr gefiel die fanatische Hartnäckigkeit, mit welcher der Mann um seinen Sohn kämpfte. Außerdem, und dies gab wohl den Ausschlag, war ihr die Dame Dorion ebenso unsympathisch, wie Josef ihr angenehm war.
Der Kaiser, als er Josef empfing, war nicht in guter Verfas sung. Er war erkältet, seine Augen waren trüb, sein Gesicht gedunsen, er schneuzte sich oft und beschwerlich. Er nahm den Josef fremd auf, abwesend, doch nicht ungütig. Im Verlauf der Unterredung belebte er sich, wurde sentimental. »Ich habe gehört«, sagte er, »du hast Unglück gehabt. Ich hätte mich vielleicht ein wenig mehr um dich kümmern sollen. Aber glaub mir, auch ich habe es nicht leicht. Ich bleibe dir im Herzen gewogen, mein Josef. Man ist ein großes Stück Wegs zusammen gegangen, es war wahrscheinlich der bessere Teil. Sicherlich der leichtere.«
Endlich kam Josef auf seinen Prozeß zu sprechen. Marull hielt die Audienz für gefährlich, der Kaiser war undurchsichtig, unberechenbar, zudem kränklich und zumeist schlechter Laune. Marull wußte aus Erfahrung, wie leicht körperlicher Schmerz Entscheidungen zuungunsten eines Bittstellers beeinflussen kann. Trotzdem Lucia den Kaiser vorbereitet hatte, blieb das Ganze ein Glücksspiel. Da indes Josef auf seinem Vorhaben bestand, hatte Marull sich bemüht, die Bitte, die Josef an den Kaiser richten wollte, in die glücklichste Form zu bringen. Josef bat also den Kaiser um die Gnade, einen der Kronjuristen mit der Abfassung eines Gutachtens über seinen Adoptionshandel zu beauftragen, am besten den Caecil als den in Fragen des Familienrechts am meisten beschlagenen. Es war aber Caecil ein genauer Freund und Mitarbeiter des Marull, und die Gutachten der Kronjuristen waren für die Rechtsprechung verbindlich.
Titus schneuzte sich, lächelte, sinnierte: »Prozesse. Ihr Juden führt viele Prozesse. Also du führst jetzt auch einen Prozeß. Oder eigentlich sogar zwei.« Er lächelte stärker, wurde geradezu aufgeräumt. »Unser Freund Marull führt sie, deine Prozesse. Mein Vater liebte ihn nicht, deinen Marull, Bübchen liebt ihn. Es freut mich, daß er noch soviel Intensität für dich aufbringt. Er hat den Kopf voll von eigenen Sorgen, habe ich mir sagen lassen; das Gesetz über die falschen Denunzianten schwebt über seinem Haupt. Ein interessanter Mensch jedenfalls, ein höllisch kluger Kopf. Vielleicht auch ist er ein Lump. Und sicher werden er und mein Caecil ein großartiges Gutachten austifteln. Na schön.« Und er gab Weisung, den Kronjuri sten Caecil mit der Abfassung des Gutachtens zu beauftragen. Früher hätte sich Josef vielleicht geärgert, daß der Kaiser mit keinem Wort seiner Bücher gedacht hatte. Heute war er einfach glücklich. Mit Überschwang und aus aufrichtigem Herzen dankte er allen, die ihm geholfen hatten, dem Titus, der Lucia, dem Regin, dem Marull.
Übrigens dachte Titus nicht daran, durch die Gunst, die er dem Juden Josef erwies, seine Popularität zu gefährden. Er wollte die »Liebe und Freude des Menschengeschlechts« bleiben. Er ließ also am gleichen Tag, an dem er den Kronjuristen Caecil mit der Abfassung des Gutachtens beauftragte, den Konsul Pollio wissen, daß, falls im Senat ein Gesetz gegen die Gottlosenbewegung und die Beschneidung
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