Die Söhne.
Helvid gegen einen Mann, dessen Büste der Kaiser in der Bibliothek des Friedenstempels habe aufrichten lassen, als schlechthin absurd abzulehnen, und trotzdem er jene Ehe des Josef mit den gleichen Mitteln verteidigte wie in dem Scheidungsprozeß, beschloß das Gericht, die Argumente Helvids zu untersuchen. Es sollten in Judäa Erhebungen angestellt werden, ob wirklich der Gott Vespasian jene Heirat des Josef gebilligt habe. Die Spannung wuchs. War es nicht äußerst gefährlich, Dinge aufzurühren, die die Dynastie so nahe angingen? Ängstlich schaute man nach dem Palatin. Großrichter Arulen hatte einen der Minister mit Mühe dazu bewogen, im Vortrag beim Kaiser den Prozeß zu erwähnen. Allein Titus rührte sich nicht. Er griff mit keiner leisesten Willensäußerung in den Gang der beiden Verfahren ein.
Rückkehrend von einer offiziellen Veranstaltung der Mitglieder des Zweiten Adels, zu Pferd, gefolgt von Freunden und Leibeigenen, traf Josef unvermutet den Gouverneur Flavius Silva. Es war auf dem Marsfeld, auch Flavius Silva war zu Pferd. Er hielt an. In seiner lärmenden, jovialen Art begrüßte er Josef, bewunderte den fleischlosen Kopf seiner edlen, arabischen Stute. Zog das Gespräch hinaus. Begleitete den Erstaunten ein Stück Wegs.
Langsam ritten die beiden Herren nebeneinanderher. Der hagere, finstere Josef sah in der offiziellen Tracht mit dem purpurnen Umwurf sehr gut aus, der etwas feiste Flavius Silva fiel neben ihm ab. Aber den Gouverneur verdroß das nicht. Er fand die Gelegenheit günstig, Josef eine bestimmte Mitteilung zu machen. Er war in dem Kampf um seine Sache nur langsam und zäh vorangekommen, jetzt aber hatten ihm die Prozesse des Josef um ein entscheidendes Stück weitergeholfen, und er hielt es für ein Gebot der Fairneß, ihn darüber nicht im unklaren zu lassen.
Denn es war soweit. Die republikanischen Senatoren werden endlich jene Vorlage einbringen, die Flavius Silva für die Verwaltung Judäas so dringlich benötigte, und es waren die Rechtshändel des Josef, die Helvid und die Seinen dazu bestimmt hatten. Schon in der Februarsitzung wird der frühere Großrichter Antist einen Gesetzentwurf zur Debatte stellen, der die Beschneidung eines Nichtjuden in klaren Worten verbietet und so der anmaßenden Proselytenmacherei der Juden ein für allemal ein Ende macht. Helvid habe sich vergewissert, teilte der Gouverneur dem Josef mit, daß der Senat die Vorlage mit großer Majorität annehmen werde.
Josef mühte sich, seine Betretenheit zu verbergen. Um ein solches Gesetz zu erwirken, war Flavius Silva nach Rom gekommen. Daß er die ihm befreundeten Senatoren zur Einbringung der Vorlage werde veranlassen können, war von Anfang an wahrscheinlich gewesen. Nach dem Sturz der Berenike war es gewiß. Trotzdem traf den Josef die Nachricht. Er wahrte Haltung, suchte seine Erregung mit allen Mitteln zu beschwichtigen, sagte sich, was immer der Senat beschließe, bleibe, vorläufig wenigstens, nur eine akademische Willensäußerung, und alles hänge davon ab, ob der Kaiser sein Vetorecht geltend machen werde.
Der Gouverneur sprach weiter. Er sei stolz darauf, der Urheber der Vorlage zu sein. Ihm liege daran, den Juden begreiflich zu machen, daß er dieses Gesetz gerade in ihrem Interesse wünsche. Nur so nämlich ließen sich die Grenzen zwischen Politik und Religion in Judäa klar festlegen, und ohne solche scharfe Grenzziehung könne man die Provinz nicht regieren. Er ereiferte sich. »Ich schütze«, versicherte er dem Josef, »die jüdische Religion als eine erlaubte mit allen Mitteln. Ich schone die Empfindlichkeit Ihrer Glaubensgenossen. Ich habe das Verbot, in Städten mit überwiegend jüdischer Bevölkerung Kaiserbilder zu zeigen, den militärischen Stellen mit Nachdruck in Erinnerung gebracht. Ich fördere, soweit ich kann, die autonome jüdische Gerichtsbarkeit. Ich habe der Universität Jabne, ihren Doktoren und ihren Schülern Steuerfreiheit eingeräumt. Wenn einer tolerant ist, dann ich. Aber in dem Augenblick, in dem die jüdische Religion sich in Politik verwandelt, werde ich zu ihrem bittersten Gegner. Es ist ein Glück für die Juden, daß gerade ihr unsichtbarer Gott und seine Gesetze nichts als Religion sind und getrennt von aller Politik.«
»Ich fürchte, Herr Gouverneur«, sagte Josef, »selbst wenn die neue Vorlage Gesetz werden sollte, werden Sie die jüdische Religion nicht als etwas so völlig Ideologisches von der realen Politik absondern
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