Die Söhne.
daß, gemäß dem Spruch der Propheten, zur Zeit des Messias kein Opferhändler mehr sein solle im Hause Jahves; er aber sei der Messias. Und des zum Zeichen rief er vor allem Volke Jahve bei seinem geheimnisvollen Namen, den zu nennen nur dem Erzpriester erlaubt ist am Versöhnungstag. Und als er unversehrt blieb und kein Feuer vom Himmel kam, liefen viele davon, und viele glaubten ihm.«
»Soweit erinnere ich mich«, sagte Josef, da der Großdoktor verstummte, »und daß dann der Erzpriester Anan ihn verhaften ließ und vor sein Gericht stellte. Mehr aber weiß ich nicht. Denn da es ein Prozeß um die Lästerung des Namens war und der Name somit von den Zeugen genannt werden mußte, wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Ich weiß nur mehr das Ende, daß das Priestergericht diesen Jakob und seine Genossen zum Tod verurteilte und steinigen ließ.« Er wartete, sonderbar erregt, auf das, was der Großdoktor weiter berichten werde.
Der, zögernd, unbehaglich, als ob er trotz allem Bedenken trüge, seine Kenntnis weiterzusagen, erzählte: »Nach den Akten war es so. Als der Erzpriester Anan den Jakob befragte: ›Bist du, wie du behauptest, der Messias, Gottes eingeborener Sohn?‹, da rief, statt aller Antwort, der Angeklagte von neuem den Gottesnamen, und ihm ins Gesicht. Dies aber war eine Antwort; denn der Name Bedeutet, wie Sie wissen, ›Ich bin es‹. Und die Priester und die Richter erschraken in ihrem Herzen, und sie standen auf, wie es Vorschrift ist bei solcher Lästerung des Namens, und alle zerrissen ihre Kleider. Der Zeugen bedurfte es nicht erst. Der Prophet hatte die Lästerung den Richtern ins Gesicht wiederholt.«
Gamaliel ließ dem Josef Zeit, über seinen Bericht nachzudenken. Josef dachte an das, was der Minäer aus dem Dorfe Sekanja im Hause des Acher vorgelesen hatte. Es war also nicht ganz müßiges Gerede, es schien Wahres und Erdichtetes wirr ineinandergefügt.
»Dies war der letzte Prozeß gegen einen falschen Messias«, fuhr der Großdoktor fort, er sprach jetzt leichter, müheloser. »Es war seit Jahrzehnten der einzige Prozeß dieser Art, und es wäre besser, auch er wäre nicht gewesen. Und nun überlegen Sie, bitte«, forderte er Josef auf. »Es ist Tatsache, daß einer, der sich für den Messias hielt, von dem Gouverneur Pilatus als König der Juden gekreuzigt worden ist, und es ist Tatsache, daß ein anderer solcher Christus von uns hingerichtet wurde. Hat es unter diesen Umständen Sinn, mit den Minäern darüber zu rechten, wie weit ihr Bericht vom Leben und Leiden ihres Messias in den Einzelheiten stimmt? Daß er nicht so exakt ist wie der Report eines römischen Generals, wissen Sie selber. Aber ich glaube, es kommt Ihnen nicht darauf an.« Und, sachlich, faßte er zusammen: »Mögen diese Christgläubigen glauben, was sie wollen. Ich lasse jedem seine individuelle Meinung über Jahve und den Messias, solange er nicht gegen das Zeremonialgesetz verstößt. Die Minäer befolgen die Riten; ich weiß keinen einzigen Fall, daß sie sich dagegen aufgelehnt hätten. Beruhigen Sie Ihre Freunde«, schloß er lächelnd. »Ich sehe keinen Anlaß, gegen die Christen vorzugehen. Solange sie mein Zeremonialgesetz nicht antasten, taste ich sie nicht an.«
Josef berichtete in Lud über sein Gespräch mit dem Großdoktor; auch Jakob aus dem Dorfe Sekanja war da.
Channah fand die Versicherungen des Großdoktors keineswegs beruhigend. »Ich kenne meinen Bruder«, meinte sie. »Er gehört zu den treuherzigen Heuchlern. Was er sagt, ist immer wahr: aber nur dem Worte nach. Er wählt seine Worte so, daß ihm sein Handeln offenbleibt. ›Wer die Riten nicht antastet, den taste ich nicht an.‹ Und was, wenn er die Riten so verengert, daß man sie antasten muß? Haben wir nicht Beispiele? Er ist großzügig, er läßt Doktoren und Laien Meinungsfreiheit. Aber nur, weil er noch nicht die Macht hat, sie ihnen zu nehmen. Wenn ihm erst die Zeit reif scheint, dann wird er kurzerhand das Zeremonialgesetz für angetastet erklären und die Meinungsfreiheit unterdrücken.«
Ben Ismael strich sich mit der langen Hand die Brauen unter der mächtigen, kahlen Stirn zurecht. »Ach Channah«, sagte er, »für dich liegen die Dinge immer so einfach. Gamaliel ist kein Heuchler. Ich glaube es nicht. Der Sinn all seiner Handlungen ist Israel, nichts sonst. Er sagt: Jahve ist Israels einziges Erbteil; wenn es ihn verliert, wenn es ihn zu leichtsinnig den andern zeigt und ihn sich rauben
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