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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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läßt, was dann bleibt ihm? Also hütet er eifersüchtig seinen, unsern Jahve. Er verflacht die Lehre, gewiß. Aber er versteht nun einmal seine Sen dung so, und er ist der rechte Mann für seine Sendung.« Der Minäer Jakob sagte: »Ich glaube, Channah hat recht, und finde wie sie die Worte des Großdoktors verdächtig. Wir sind Juden, wir halten gewissenhaft das Zeremonialgesetz, wir halten Gemeinschaft mit den andern und wollen sie weiter halten. Aber wie nun, wenn einer von den Nichtjuden zu uns kommt und sagt: ›Ich will einer der Euern sein‹? Dürfen wir ihm dann den Weg versperren, weil die Römer die Beschneidung verboten haben? Verstoßen wir gegen das Zeremonialgesetz, wenn wir ihm sagen: ›Schiebe die Beschneidung auf, bis die Römer sie erlauben‹? Verlangt der Großdoktor, daß wir einen, der guten Willens ist, von der Heilsbotschaft ausschließen? Die Werke sind wichtig, aber ist nicht der Glaube ebenso wichtig? Ist es nicht besser, die Heiden hereinzulassen auch ohne das Zeremonialgesetz, als sie auszuschließen?« Und da Ben Ismael nicht antwortete, fügte er hinzu: »Selbst die Armen im Geiste spüren, daß es nicht genügt, wenn Jahve der Gott nur einer Nation ist. Darum kommen sie zu uns. Das Volk will nicht Theologie, es will Religion. Das Volk will keine jüdische Kirche, es will Judentum.«
      »So ist es«, sagte Channah.
      »So sei es«, sagte der Acher.
      Ben Ismael aber schwieg, und der Acher verhöhnte ihn: »Von Gamaliel verlangen Sie so wenig, mein Doktor und Herr, und von uns so viel. Wenn der Großdoktor recht hat, warum begnügen wir uns nicht auch, unsern Jahve zu hüten? Warum legen wir uns so heiße und bittere Mühe auf, ihn zum Jahve aller Welt zu machen?«
      »Weil wir«, erwiderte Ben Ismael, »weniger kräftig und weniger schlau sind als Gamaliel, aber vielleicht weiser. Er hat die Mauern aufzurichten, wir die Tore. Er hütet das Gesetz, daß nichts Falsches eindringe, wir haben dafür zu sorgen, daß das Gute nicht eingesperrt bleibt, sondern ausgehen und sich verbreiten kann. Ich kann auf Israel nicht verzichten, und ich kann auf die Welt nicht verzichten. Gott will beides.« Er sprach heftiger, als es sonst seine Art war, geradezu gequält.
      Josef sagte langsam, die Gedanken entstanden in ihm, während er sprach: »Ich verstehe Sie nicht ganz, mein Bruder und Herr. Sie sagen, die Mittel, die der Großdoktor anwendet, um das Judentum zu erhalten, seien die rechten. Wenn aber das Judentum das Gesicht annimmt, das Gamaliel ihm aufprägen will, bekommt es dann nicht ein nur nationalistisches, eigensüchtiges, weltfeindliches Gesicht? Sie sagen, wir haben ein Und. Ich fürchte, wenn Gamaliel recht behält, dann haben wir nur ein Oder: Judäa oder die Welt. Und ehe das Judentum so wird, wie Gamaliel es will, ist es da nicht besser, zur Welt ja und zu Judäa nein zu sagen?« Und kühn dachte er den Gedanken zu Ende, den alle zu denken sich scheuten, und sprach ihn aus: »Ist es da nicht besser, wir geben zugunsten unseres Weltbürgertums unser Judentum auf?«
      Ein bestürztes Schweigen war. Dann sagte zuerst der Acher, heftig: »Nein.« Und, noch heftiger, Channah: »Nein.« Und nein sagte Ben Ismael. Und nein sagte schließlich, zögernd, selbst der Minäer Jakob.
      Josef, nach einer Weile, fragte: »Warum nein?« Ben Ismael erwiderte: »Ich sehe keinen andern Weg zum Übernationalen als das Judentum; denn Israels Gott ist kein nationaler Gott wie die Götter der andern Völker, sondern unsichtbar, der Weltgeist an sich, und sicher wird einmal die Zeit kommen, da dieser Gestaltlose auch keiner Form mehr bedürfen wird, um begriffen zu werden. Vorläufig aber müssen wir ihm, um ihn überhaupt begreifbar zu machen, eine Form geben, vorläufig ist ein Jahve ohne Judentum nicht vorstellbar. Er würde sich, noch bevor eine Generation vergangen ist, ins Nichts verflüchtigen. Ist es nicht besser, wir geben Jahve vorübergehend nationale Embleme, als daß wir seine Idee untergehen ließen? Es ist nicht das erstemal, daß sich die übernationale Idee des Judentums unter einer plumpen, nationalen Maske verstecken muß. Die Mittel zum Beispiel, die Esra und Nehemia anwandten, um das Judentum zu erhalten, waren äußerst bedenklich. Aber ihre Gaukelei war heilig, und ihr Erfolg zeigt, daß Gott sie billigte. Die Heilige Schrift schleppt vieles mit, was nur taktischen Zwecken des Augenblicks diente: doch nur so konnte das Wesentliche, ihre übernationale Idee,

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