Die Söhne.
erwiderte er: »Was Sie wollen, mein Demetrius. Spielen Sie, was Sie wollen.«
Mit dieser Antwort aber kam er seinem Ziele viel näher, als er selber erwartete; denn sie brachte in dem Schauspieler einen ganzen Berg verführerischer Phantasien ins Rollen. Der Gouverneur stellte ihm frei zu spielen, was er wollte. Wie, wenn er es nochmals mit dem Laureol versuchte? Vielleicht konnte er auf dem Umweg über die Provinz dem Stück in Rom zu einem nachträglichen Erfolg verhelfen und so die scheußliche Scharte von Albanum auswetzen. Sicherlich war es der Wille Jahves, daß er im Lande Israel spiele. Hätte Jahve sonst das Leben des Juden Akawja an sein Auftreten geknüpft? Wahrscheinlich wollte Jahve durch ihn den Heiden zeigen, was alles ein Jude vermöge, und ihnen auf solche Art Achtung und größere Milde für die gesamte Judenheit abnötigen. Viele Gedanken und Träume dieser Art bewegten schnell und wirr den Schauspieler, bis er gnädig und großspurig erwiderte: »Es ist schwer, einem so zähen Kunstfreund zu widerstehen wie Ihnen, Herr Gouverneur. Vielleicht werde ich mich entschließen, den Seeräuber Laureol zu spielen. Sie wissen, ich habe ihn für die Majestät und den Prinzen Domitian gespielt bei der Eröffnung des Theaters der Lucia.« Silva wußte natürlich nichts. »Das wäre großartig«, begeisterte er sich. »Ich werde es mir überlegen«, gab Liban sich überwunden.
Josef aber schämte sich, daß er nicht von der Universität Lud gesprochen hatte, und wagte es nicht einmal vor sich selber, sich über den Schauspieler lustig zu machen.
Kurze Zeit darauf fragte der Gouverneur, was Josef über den Großdoktor denke. Er selber hielt große Stücke auf Gamaliel. Das sei ein Mann, mit dem man klar reden könne, ohne lange Umschweife. Er sei schlau, zielbewußt, bleibe immer sachlich: er verdiente, ein Römer zu sein. Daß er gerade das nicht wolle, sei sein einziger Fehler.
Und nun stellte sich etwas heraus, was die Bewunderung Josefs vor der Klugheit des Großdoktors noch erhöhte. Der Gouverneur hatte nämlich Gamaliel angeboten, ihn zum römischen Bürger zu machen und ihm den Goldenen Ring des Zweiten Adels zu verschaffen. Gamaliel indes hatte höflich und entschieden abgelehnt und hatte, darüber hinaus, seinen Juden das Anerbieten verheimlicht; sonst hätte Josef durch Ben Ismael oder den Acher sicherlich davon erfahren. Es war klug, daß der Großdoktor sich darauf beschränkte, Jude zu sein, noch klüger, daß er, um die Römer nicht durch öffentliche Ablehnung zu reizen, von seiner Chance, sich römische Ehren zu holen, den Juden nicht einmal sprach. Josef sagte sich, daß er selber an Gamaliels Stelle der Verlockung nicht hätte widerstehen können, den andern wenigstens von seiner Festigkeit zu erzählen.
Daß Flavius Silva Josefs Meinung über den Großdoktor erfragte, hatte seinen Grund. Gamaliel, eröffnete er ihm, werde bald Gelegenheit haben, seine vielgerühmte Sachlichkeit zu erweisen. Er, der Gouverneur, müsse ihn vor ein schwieriges Problem stellen. Die Hoffnung nämlich, die Juden würden nach dem Beschneidungsverbot endlich Ruhe geben und von ihrer fatalen Proselytenmacherei ablassen, habe sich leider nicht erfüllt. Im Gegenteil, in den letzten Monaten versuche man noch heftiger als früher, Syrer, Griechen und Römer zu den Lehren Jahves zu bekehren, die Wanderprediger nähmen überhand und gäben öffentliches Ärgernis. Bisher habe sich eine juristische Handhabe nicht gefunden, gegen die Burschen einzuschreiten; denn sie hüteten sich wohlweislich, ihre Zuhörer zur Beschneidung aufzufordern, und die jüdische Religion als solche sei ja erlaubt. Nun aber habe man ihm mitgeteilt, diese Bettelpropheten seien gar keine richtigen Juden, sie gehörten vielmehr einer zweifelhaften neuen Sekte an, deren Bekenner Minäer oder Christen genannt würden. Sie selber freilich bestritten das heftig und redeten sich darauf hinaus, Jude bleibe Jude, ob Pharisäer oder Minäer, genauso wie ein maltesischer Spitz nicht weniger ein Hund sei als eine molossische Dogge. Die jüdischen Sachverständigen hätten bisher zu dieser Frage nur langwieriges theologisches Gewäsch beigesteuert, nichts Greifbares, kein Ja und kein Nein. Er, Flavius Silva, habe das satt. Er habe also jetzt den Großdoktor und das Kollegium in Jabne amtlich aufgefordert, sich gutachtlich klipp und klar darüber zu äußern, ob diese Minäer den Juden zuzuzählen seien oder nicht.
Josef war bestürzt.
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