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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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plötzlich vor ihm erschien, erschrak er wie ein kleiner Junge, der, von seinem Lehrer unversehens aufgerufen, keine Antwort weiß.
      Während er den Gast begrüßte, vielwortig, um seine Unruhe zu verbergen, durchforschte er, zuerst scheu, dann immer kühner, das gelbe Gesicht des andern. Justus war dreiundvierzig Jahre alt wie er selber, und als sie sich vor sechzehn Jahren in Rom das erstemal trafen, hatten sie einander verblüffend ähnlich gesehen. Jetzt war wohl keine Ähnlichkeit mehr zwischen ihnen. Das Gesicht des Justus war härter geworden, trocken, zerfurcht, sein Gelb spielte ins Graue. Es war bartlos, sorglich rasiert und saß auf einem erschreckend dürren Hals. Justus war alt, verbraucht; er hielt sich sehr aufrecht, doch man sah, wieviel Mühe ihn das kostete. Damals, nach der Abnahme vom Kreuz, hatte man ihm den linken Arm überm Ellbogen amputieren müssen, und Josef suchte unwillkürlich nach dem Stumpf.
      Während des Essens blieb Justus einsilbig und genoß wenig von den guten Speisen, die Josef auftragen ließ. Er wußte Bescheid über alles, was Josef in der Zwischenzeit getan und erlebt hatte. Bösartig meinte er, Josef sei sich in seiner Inkonsequenz konsequent geblieben und sei seinen Zickzackweg entschlossen weitergegangen. Nicht ohne Erfolg, wie man sehe. Der siegreich beendete Kampf um seinen Sohn Paulus habe ungemeine Ähnlichkeit mit seinem siegreichen Kampf um jene drei Doktoren, die er damals mit Hilfe der Kaiserin Poppäa gerettet habe; auch die Folgen seien einander ähnlich. Der gleiche Charakter erzeuge offenbar immer wieder die gleichen Situationen und das gleiche Schicksal. Und Justus kicherte, eine unangenehme Gewohnheit, die der früher so gehaltene Herr in diesen letzten Jahren angenommen hatte.
      Verachtung dringt selbst durch den Panzer einer Schildkröte, und früher hatte Josef oftmals geglaubt, er könne in der Ver achtung des Justus nicht weiterleben. Doch diesmal nahm er die stacheligen Reden des bitteren Herrn mit Ruhe hin. Er sah, wie Justus trotz aller Mühe und Geschicklichkeit durch den Mangel des linken Arms beim Essen behindert war, so daß seine hurtige Hantierung befremdlich und er selber steif und jämmerlich wirkte. Ein warmes Gefühl für diesen harten, strengen und geschlagenen Mann stieg in Josef hoch, und er spürte kaum mehr die Kränkung seiner Worte.
      Was ihn jetzt anfüllte, war eher Spannung, was der Mann wohl von ihm wolle. Sicher war Justus nach Judäa gekommen, um sich Kraft für sein Buch zu holen, und daß sie beide zur gleichen Zeit und aus dem gleichen Grund den heimatlichen Boden gesucht hatten, war ihm selber eine wichtige Bestätigung; denn Justus galt ihm als der größte Schriftsteller der Zeit, und sein Verhalten war ihm der Maßstab seines eigenen Lebens.
      Doch Justus ließ während des Mahls nichts über den Zweck seines Besuches verlauten, auch hernach nicht, und sie gingen zu Bett, ohne daß Justus gesprochen hätte. Josef schlief schlecht. Die ganze Nacht hindurch stritt er im Geist mit Justus, und er fand treffende Antworten auf Sätze, die der andere leider nicht gesagt hatte. Die Kränkung, die nicht da war, solange Justus körperlich zugegen war, ätzte ihn nachträglich um so schärfer. Siebenundsiebzig sind es, die haben das Ohr der Welt, und ich bin einer von ihnen. Aber das Ohr dieses Justus hatte er nicht.
      Am andern Tag konnte er sich nicht mehr bezähmen und fragte geradezu, ob er Justus und womit dienen könne. Justus erklärte, er brauche die Erlaubnis der Regierung, sich vier oder fünf Wochen in Cäsarea aufzuhalten. Josef, der sich durch seine Schriftstellerei die Gunst der Großen gewonnen habe, möge einem weniger glücklichen Kollegen in dieser Angelegenheit behilflich sein.
      Josef sagte sogleich und mit Vergnügen zu. Verwundert fragte er, wie es komme, daß der Sekretär des Königs Agrippa sich um einer so geringfügigen Sache willen an ihn wenden müsse. Es ergab sich, daß Justus nicht mehr Sekretär des Agrippa war. Er hatte seit langem das Gefühl gehabt, er sei dem König um seiner Schärfe und Intransigenz willen unbehaglich, und in der letzten Zeit hatte Agrippa ihn immer weniger beschäftigt. Er aber hatte sein Gehalt nicht umsonst einstreichen wollen, und als Berenike auf der Rückreise von Rom nach Alexandrien gekommen war, hatte er sie aufgesucht, um vielleicht durch ihre Vermittlung dem Agrippa wieder näherzukommen. Berenike hatte ihn auch freundlich aufgenommen. Doch

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