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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Alexas erzählte Josef von den Gerüchten, die am rechten Tiberufer, unter den Juden, über Kaiser Titus umliefen. Josef hatte bereits davon gehört, daß der Gesundheitszustand des Kaisers zu wünschen übriglasse. Die Juden deuteten seinen zunehmenden Verfall auf ihre Art aus, raunten davon, daß die Hand Jahves den Zerstörer seines Tempels getroffen habe. Titus habe sich gebrüstet, Jahve sei Herr nur auf dem Wasser, darum auch habe er den Pharao Ägyptens nur bei dem Durchzug durch das Rote Meer vernichten können; zu Lande aber sei er, Titus, des Gottes ohne weiteres Herr geworden. Um ihn für seinen Übermut zu strafen, habe ihm Jahve jetzt eines seiner kleinsten Lebewesen gesandt, ein winziges Insekt, ihn zu vernichten. Das sei ihm durch die Nase ins Hirn gedrungen, lebe dort, wachse, ängstige den Kaiser bei Tag und Nacht, bis es ihn endlich töten werde.
      Was immer diesen Gerüchten zugrund liegen mochte, so viel wußte Josef: glücklich war der Zerstörer Jerusalems nicht. Allein auch dieser Alexas, ein kluger, vernünftiger, nach dem Schönen und Guten strebender Mann, war wohl nicht glücklich. Er hing an seinem Vater, er hing an seiner Frau und an seinen Kindern, nur um seines Vaters willen war er in der Stadt Jerusalem geblieben, deren Untergang er früher und klarer als die andern vorausgesehen; aber er selber war merkwürdigerweise gerettet worden, und umgekommen waren die, um deren Rettung willen er geblieben war. Jetzt hat er alle seine Hoffnungen auf Mara gesetzt. Josef brachte es nicht über sich, ihm von seiner bevorstehenden Heirat zu erzählen.
      Alexas forderte ihn auf, mit in die Fabrik hinüberzukommen. Der Glasfabrikant hatte sich mit der gewohnten Intensität auf seine Arbeit geworfen; er hatte die Verkaufsräume in die Arkaden des Marsfeldes verlegt, so daß das ganze Gebäude in der Subura für die Werkstätten frei wurde. In Schiffsladungen importierte er pulverisierten Quarzkiesel vom Flusse Belus, und mit Hilfe dieses Materials und seiner sidonischen Vorar beiter führte er einen aussichtsreichen Kampf gegen die einheimische Industrie. In der Stadt selbst fabrizierte er jetzt jene kunstvollen Luxusgläser, die man bisher aus Ägypten und Phönizien hatte kommen lassen müssen.
      Er führte Josef durch die Fabrik. Lange und hingegeben schaute Josef der Arbeit der großen Schmelzöfen zu. Er hockte nieder, sah in die bunte, von vielerlei Stoffen genährte Flamme. Alexas mahnte ihn zur Vorsicht, er selber sei die Flamme gewöhnt, aber die Augen des Ungewöhnten litten darunter. Doch Josef konnte den Blick nicht abwenden. Er sah die Flamme, er sah Sand und Soda und schaute zu, wie diese Stoffe inmitten der ungeheuren Hitze sich mischten und zu einer neuen Masse wurden.
      Und während er so hockte und in die Flamme starrte, konnte er endlich dem Alexas erzählen. Er erzählte ihm, wie er Mara angetroffen und was er mit ihr besprochen hatte.
      Alexas hörte trüb und resigniert zu. Es war ihm eine liebe Hoffnung gewesen, nach Judäa zurückzukehren, Mara zu ehelichen, sein Alter mit ihr im Lande Israel zu verbringen. Nur hatte er Mara ein, zwei Jahre Zeit lassen wollen, bis sie den Tod des Jungen verwunden habe, um ihr dann erst die Heirat von neuem anzubieten. Er hatte zuviel Takt, das war es. Mit Takt kam man nicht weiter. Wenn die Römer taktvoll gewesen wären, hätten sie nie die Welt erobert. Der andere war auch nicht taktvoll gewesen. Darum hat er sich Mara geholt.
      Alexas hockte da; trotzdem er die Schultern fallen ließ, sah er breit und stattlich aus. Er hatte wieder ein wenig Fett angesetzt. Es war seltsam, dachte Josef, wie der Glasfabrikant mit zunehmendem Alter seinem Vater ähnlicher sah, trotzdem der eigentlich bis zu seinem Ende zufrieden und zuversichtlich gewesen war, Alexas selber aber von Jugend auf umschattet von dem Wissen um das Elend der Welt und die Brüchigkeit der menschlichen Dinge.
      Übrigens spürte Alexas nicht einmal jetzt Zorn gegen Josef. Er stand vielmehr schwerfällig auf, verneigte sich mehrmals vor Josef, der immer noch in das vielfarbige Feuer starrte, sein Schatten, von der zuckenden Flamme grotesk verlängert und verkürzt, neigte sich mit ihm, und er sagte: »Ihnen, mein Doktor Josef, ›Heil‹ oder ›Gott segne dich‹ zu wünschen erübrigt sich. Sie sind in Wahrheit ein von Geburt an Gesegneter.«
      Auch Josef erhob sich, dehnte ein wenig die eingeschlafenen Glieder. Es fiel ihm nicht leicht, die Worte des andern

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