Die Söhne.
mit der gebotenen Demut anzuhören und zu erwidern. Er war voll Stolz: Alexas hatte recht.
Marull, als Josef ihn aufsuchte, um mit ihm über die Erwerbung des Bürgerrechts für Mara Rates zu pflegen, war bissiger Laune. Seine Zahnschmerzen hatten sich mit Beginn des Winters verschlimmert. Zudem war das Schiff »Argo«, auf dem sein Freund Demetrius Liban die Rückreise von Judäa angetreten hatte, längst überfällig. Ein wenig tröstete es ihn, daß eine riesige Weizenspekulation, die er zusammen mit Claudius Regin unternommen hatte, ungewöhnlich guten Erfolg brachte; das erfreulichste war, daß bei diesem Geschäft viele der republikanischen Senatoren, seiner Feinde, übel hereingefallen waren. Aber leider konnte man sich nicht lange an diesem ergötzlichen Gedanken weiden, der Geist war willig, sich die Bilder der Hereingefallenen immer wieder vorzustellen, doch das Fleisch war schwach, die Zahnschmerzen zerknabberten schnell die spärlichen Minuten seines Behagens und trieben den Sinn in unlustige Betrachtungen, zum Beispiel über das Schiff »Argo« und seinen Freund Demetrius Liban.
Ausführlich, vor Josef, verbreitete er sich über das Pech, das er mit seinen Freunden hatte. Erst hatte Johann von Gischala ihn verlassen, nur um in dieses alberne judäische Attentat hineinzurennen, von dessen Folgen er sich, wie man dem Marull mitteilte, kaum je ganz erholen wird. Und jetzt war, wie es schien, Demetrius in ein noch ferneres Land verschwunden als Johann; die »Argo« war verschollen, und es war wenig Hoffnung, daß Liban je wieder auftauchen werde. Noch auf der Heimreise, von Ephesus aus, hatte der Schauspieler ihm geschrieben, wie sehr er sich darauf freue, jetzt in Rom ein zweites Mal den Laureol zu spielen, und das Essen schmeckte einem nicht mehr, wenn man daran dachte, daß der Schreiber vielleicht schon ein Fraß der Fische gewesen war, als der Brief den Empfänger erreichte.
Josef, mit einer kleinen Reue, sagte sich, daß er diese ganzen Wochen hindurch den Schauspieler kaum vermißt habe. Dabei war sein Leben mit dem des Liban eng verknüpft. Niemals ohne ihn hätte er die Kaiserin Poppäa kennengelernt, wer weiß, ob er ohne ihn hochgekommen wäre, wer weiß, wann und wie der jüdische Krieg ohne seine Begegnung mit dem Schauspieler ausgebrochen wäre, und Demetrius seinesteils wäre ohne ihn nicht nach Judäa gefahren und untergegangen.
Marull sprach längst weiter. Sollte, überlegte er, Demetrius wirklich einmal zurückkehren, dann seien die Chancen für den »Laureol« ausnehmend gut. Abgesehen von der Sensation, die die Heimkehr des verloren Geglaubten erregen werde, könne jetzt, seitdem alle Welt wisse, daß Titus nie mehr ganz genesen werde, unmöglich ein von dem Prinzen Domitian protegiertes Stück durchfallen. Umständlich befragte er den Josef nach den Einzelheiten der Aufführung in Flavisch Neapel. Besonders interessierte ihn, ob Demetrius in der dritten Szene das Wort »Kreuz« oder das Wort »du« betont habe. Daß Josef es ihm nicht sagen konnte, enttäuschte ihn. Nun wird er es wohl niemals mehr erfahren.
Endlich ließ er von den Erinnerungen an Demetrius ab, und Josef konnte von seinen eigenen Angelegenheiten reden. Marull schien amüsiert über das verzwickte Hin und Her seiner Wünsche und Begierden. So geht das: erst hat Josef mit Opfern die Scheidung von Mara durchgesetzt, jetzt wendet er Zeit, Geld, Nerven, Leben daran, sie wieder zu heiraten; denn die Adoption einer volljährigen Jüdin sei eine umständliche, aufreibende Sache. Ein Mittel freilich gebe es, das Verfahren abzukürzen, die voraussichtlichen Widerwärtigkeiten und den drohenden Skandal zu vermeiden. Da nun einmal der Kaiser einen Narren an ihm gefressen zu haben scheine, wie wäre es, wenn er, wie das letztemal, geradewegs zu ihm ginge?
Josef meinte bedenklich, nach allem, was er höre, sei der Kaiser krank, schwer zugänglich, schrullenhaft. Marull musterte ihn durch den blickschärfenden Smaragd. »Sie haben recht gehört, mein Josephus«, bestätigte er. »Die Absonderlich keiten der Majestät haben während Ihrer Abwesenheit zugenommen. Der Kaiser versinkt immer öfter unversehens in sich selber und hört und sieht nichts mehr von den Menschen und Dingen ringsum. Die Prinzessin Lucia ist die einzige, deren Gegenwart er auf die Dauer ertragen kann.«
Und dann stellte sich zur Verblüffung des Josef heraus, daß die Leute vom rechten Tiberufer nicht ganz unrecht hatten. »Sie
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