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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wissen«, fuhr nämlich Marull fort, »ich bin durch meine Zahngeschichten genötigt, manchmal den Doktor Valens zu konsultieren. Der, während er mir im Munde herumkratzt, erzählt mir kuriose Geschichten. Der Kaiser hat lange Anfälle heftigen Weinens. Dann wieder verlangt er dringlich nach Lärm. Einmal hat er mitten in der Nacht das Arsenal aufgesucht, hat die ganze Belegschaft alarmieren, alle Werkstätten in vollen Betrieb setzen lassen. Mitten in der Nacht. Er wünschte, und zwar sofort, betäubenden Lärm um sich zu haben. Dem erstaunten Valens hat er, halb im Scherz, halb im Ernst, erklärt, wenn das Tierchen in seinem Hirn den Lärm höre, dann erschrecke es und gebe Ruhe.« Marull, nach einem kleinen Schweigen, schloß sachlich: »Auf alle Fälle, mein Josephus, tun Sie gut, sich um die Audienz möglichst bald zu bewerben.«

    »Beim Herkules, mein Junge«, rief Lucia, als Josef bei ihr eintrat, »was haben Sie für einen schönen Bart gekriegt.« Josef trug noch den Bart wie in Judäa, viereckig, ziemlich kurz, kantig, doch nicht gekräuselt und geknüpft wie früher. Sie ging um ihn herum, betrachtete ihn von allen Seiten. »Wissen Sie«, wunderte sie sich, »daß Sie dieser Bart viel besser kleidet? Sie sehen jüdisch aus, doch nicht zu sehr, auch nicht so kunstvoll und geschniegelt wie unser Agrippa.« Ihr dunkles Lachen, das Domitian so gern hörte, füllte den Raum. Sie setzte sich ihm gegenüber, groß, stattlich, mit dem mächtigen Turm ihrer Locken, Josef wirkte klein neben ihr. »Erzählen Sie von Judäa«, bat sie. »Jetzt, nachdem wir Ihre Berenike los sind«, gestand sie fröhlich, »habe ich wieder viel mehr Sympathie für Ihr Land.« Josef erzählte. Er bemühte sich, anschaulich zu sein, amüsant. Lucia war auch amüsiert, rückte näher, tätschelte seine Hand. »Gut erzählen können Sie«, lobte sie ihn. »Und schöne Hände haben Sie auch.«
      Josef fühlte sich in seiner besten Kraft und war kein Verächter des Lebens; doch vor dieser Lucia und ihrem Überschuß kam er sich arm vor. Sicher hatte sie nach wie vor ihr Bübchen auf ihre Art gern, sicher auch brachte sie für Titus wahre Neigung auf: dabei aber war Rom voll von Erzählungen, wie schamlos sie ihr Gefühl für Paris zeige, den jungen, eben in Mode kommenden Tänzer. In Gegenwart des Kaisers und Domitians hatte sie ihn in die Loge beschieden, vor zwanzigtausend Augen den Arm um seine Schulter gelegt: Sie stammte aus einem Geschlecht, das den Tod niemals gefürchtet hatte, war selber ohne Furcht, nahm von jedem Augenblicke, was er bot. Während die meisten alten Familien mit dem Wachstum Roms verkamen, als hätten sie ihre Kraft an Stadt und Reich abgegeben, war Lucias Geschlecht mit Rom gewachsen, und in ihr gipfelte Rom und ihr Geschlecht. Sie war in Wahrheit dieses Rom der Flavier, strotzend, niemals satt, mit Genuß immer mehr Leben in sich fressend.
      Als Josef ihr von seinem Projekt sprach, Mara zur Vollbürgerin zu machen und zu heiraten, war sie amüsiert wie Marull. Allein trotz ihres offensichtlichen Wohlwollens trug sie Bedenken, Josef vor Titus zu lassen. »Ich zweifle«, erklärte sie geradeheraus, »ob es klug ist, wenn ich Sie vor den Kaiser bringe. Der Osten ist ihm nicht gut bekommen, er hat sich ihm zu tief ins Blut gesetzt, und als er ihn zuletzt herausriß, blieb eine Narbe, die nicht heilen will. Der Kaiser Titus hat Judäa nicht vertragen.« Sie wandte ihm ihre großen, kühnen, weit auseinanderstehenden Augen zu, ihre Stirn unter dem mächtigen Lockenbau schien rein und kindlich. »Andere vertrügen Judäa vielleicht besser«, sagte sie langsam, nachdenklich, ihn unverwandt anschauend. Josef griff stürmisch nach ihrer Hand. »Nicht«, sagte sie und schlug ihn so kräftig auf die Finger, daß es schmerzte.
      Schon nach drei Tagen wurde er auf den Palatin beschieden.
    Im Vorzimmer, bevor er zu Titus geführt wurde, suchte ihn der Leibarzt Valens auf. »Sie werden gebeten, mein Flavius Josephus«, sagte er sehr höflich, »nicht länger als zwanzig Minuten bei der Majestät zu bleiben.« Josef, leicht unbehaglich unter dem kalten, abwesenden und doch prüfenden Blick des Arztes, fragte: »Wer bittet mich?« – »Einer, der das Recht dazu hat«, sagte dunkel Valens.
      Titus war merklich gealtert. Sein rundes Gesicht war aufgeschwemmt, die Augen in dem breiten Kopf schienen noch enger, noch mehr nach innen gestellt: mit den kurzen, in die faltige Stirn frisierten Locken sah der Kaiser aus wie

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