Die Söhne.
ein ergreistes Kind. Er freute sich sichtlich, Josef wiederzusehen. »Endlich, mein Jude«, sagte er. Und »Erzähle mir von unserm Judäa«, bat auch er.
Josef erzählte. Berichtete, das Land blühe und gedeihe. Der Gouverneur sei trotz einigen unangenehmen Eigenheiten der rechte Mann; seine Maßnahmen und die des sehr klugen Großdoktors wirkten so ineinander, daß die Römer mit den Juden halbwegs friedlich auskämen.
Der Kaiser schien enttäuscht. Nicht das wollte er hören. Er wartete offenkundig auf ein Bestimmtes und scheute sich nur, danach zu fragen. Josef zergrübelte sich den Kopf, worüber wohl der Kaiser Auskunft haben wolle, aber er fand es nicht.
Schon waren die zwanzig Minuten beinahe vergangen, von denen Valens ihm gesprochen hatte. Titus erschlaffte zusehends, hörte kaum mehr auf das, was Josef sagte, starrte dahin, wo einmal das Bild der Berenike gewesen war.
»Warst du dort?« entschloß er sich plötzlich, gradheraus zu fragen. Josef folgte dem Aug des Kaisers. »Wo dort?« fragte er zögernd zurück, er dachte, der Kaiser meine vielleicht, bei Berenike. »In Jerusalem natürlich«, sagte, ein wenig ungeduldig, Titus, er hatte die Stimme gesenkt, er flüsterte beinahe.
»Ja, ich war dort«, erwiderte schließlich Josef. »Nun?« fragte begierig Titus. »Es sind Baracken der Zehnten Legion dort, einige Wasserstellen und die Mauern der Türme Hippikus, Phasael und Mariamne.« – »Das ist mir nicht unbekannt«, höhnte der Kaiser. Josef aber gedachte der großen Ödnis, er konnte nicht länger klug sein, er sagte, die Stimme nicht geho ben, doch jedes Wort gehämmert: »Sonst ist nichts dort.« Titus schaute vor sich hin mit sonderbar suchenden, gequälten Augen. Er sprach jetzt so leise, daß Josef Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Wir hätten es nicht tun sollen«, sagte er. »Wir hätten das da stehenlassen sollen. Ich hatte es ihr versprochen, und ich habe immer davon geträumt, wie sie die Stufen hinaufsteigt. Dann aber ist sie statt dessen die Stufen des Palatins hinaufgestiegen, und das war nicht das Richtige.« Und als ob Josef einen Einwand vorgebracht hätte, fuhr er heftiger fort: »Ich sage dir, mein Jude, es war nicht das Richtige. Darum ist alles kaputtgegangen. Weißt du noch, wie wir das erstemal die Stadt sahen? Damals kam ein ungeheures Gedröhn aus euerm Tempel. Ich habe jetzt zuweilen Sehnsucht nach Gedröhn, aber jenes Gedröhn war nicht angenehm, es ging nicht mehr heraus aus meinem Schädel, es macht mir Kopfweh. Übrigens kann ich durchaus nicht mehr daraufkommen, wie das Ding hieß, mit dem ihr dieses Gedröhn gemacht habt.« – »Es war die Magrepha«, sagte Josef, »die hunderttonige Schaufelpfeife.« Die Worte des Kaisers rührten ihm das Innere auf; nicht was der Mann sagte, erschütterte ihn, sondern wie er es sagte, dieses leise, geheimnisvolle, abgestorbene Vor-sich-hin-Sprechen. »Ganz richtig«, sagte Titus, »die Magrepha. Euer Gott Jahve hat eine gewaltige Stimme. Hast du, wie du jetzt in Jerusalem warst, nichts mehr davon gehört?« erkundigte er sich interessiert. »Doch«, erwiderte zögernd Josef, »die Stimme Jahves habe ich gehört.«
»Siehst du«, sagte, mit dem breiten, schweren Kopf nickend, der Kaiser, und er sprach geradezu erfreut, als habe er diese Worte des Josef von Anfang erwartet. »Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?« fügte er noch hinzu. »Weißt du übrigens«, fuhr er fort, »daß der Hauptmann Pedan gestorben ist? Ja«, berichtete er, da Josef betroffen hochsah, »er ist ganz plötzlich gestorben, während eines Banketts. Er ist nicht sehr alt geworden. Er war ein kräftiger Mann, und ich hätte ihm noch viele Jahre gegeben. Er war der Träger des Graskranzes, aber er war ein böser Mann. Wir hätten es nicht tun sollen«, kam er auf seine früheren Worte zurück. »Dabei habe ich es eigentlich gar nicht tun wollen«, grübelte er, »und wenn euer Gott Jahve ein gerechter Gott wäre, dürfte er mir nicht die Schuld geben. Aber ich glaube, er ist kein gerechter Gott, und ich werde es nicht mehr lange machen. Mein guter Valens versteht seine Sache, er vertröstet mich und gibt mir Hoffnung: aber was kann er ausrichten, wenn euer Gott Jahve so ungerecht ist?«
Josef fröstelte, als er den Herrn der Welt so sprechen hörte. Er dachte an den Hauptmann Pedan, an seine breite, ungeschlachte, mit weißlichblonden Härchen bewachsene Hand, die nun nicht mehr zupacken und zuschlagen konnte. Ganz flüchtig
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