Die Söhne.
überleben werden: der Jude Philo, der Jude Justus von Tiberias, der Jude Flavius Josephus.« Er kicherte nicht, es war kein Spott in seiner Stimme.
Am nächsten Tag gab er dem Josef ein kleines Buch, die ersten zweihundert Seiten seiner Darstellung des jüdischen Kriegs. Es war für Josef ein Anerkenntnis und eine Bestätigung, daß Justus sie ihm gab. Er saß die Nacht hindurch wach über dem Manuskript. Erst wollte er es atemlos durchjagen, aber das ging nicht, der scharfe, dichte Stil des Werkes zwang den Leser, jedes Wort zu überdenken. Langsam also las er die klaren, gemeißelten Sätze des andern, die belegt waren mit Ziffern und Daten, und während er las und bewunderte, spürte er schmerzlich die eigene hinter soviel falschem Glanz verdeckte Unzulänglichkeit.
Dennoch drückte ihn das Werk des Justus nicht nieder. Ihm selber fehlte vieles, was jener besaß, doch vieles eignete ihm, was jenem mangelte. Jener hatte die schärfere Intelligenz, den weiteren Blick, allein ihm selber verdichtete sich, was er erlebte, zu Bildern und Gestalten von größerer Schaubarkeit. Und das Werk des Justus wurde ihm zum Stachel, der ihn nicht verletzte, sondern spornte.
So erfreut Josef seine Römer begrüßt hatte, mit solcher Unruhe sah er der ersten Begegnung mit den römischen Juden entgegen. Die Angelegenheit der Josef-Synagoge war noch immer nicht geklärt. Nach dem Sturm von Unwillen und Gelächter, den sein Verzicht auf den Knaben Paulus erregt hatte, war es zweifelhaft, ob Doktor Licin seine Absicht, der Synagoge den Namen Josefs zu geben, werde durchführen können. Voll unangenehmer Spannung also empfing Josef die Herren Cajus Barzaarone und Doktor Licin, als sie sich bei ihm meldeten.
Aber bald stellte sich heraus, daß die Herren vor Josef mehr Schuldbewußtsein hatten als der vor ihnen. Der joviale Cajus Barzaarone ließ während der Begrüßungssätze seine listigen Augen spähend über Josefs Gesicht gleiten, seine Gedanken zu erraten, und Josef merkte bald, daß die ehrenvolle Aufnahme, die er in Jabne gefunden, in Rom Eindruck gemacht hatte. Beredt rühmte der alte Vorsteher der Agrippenser-Synagoge die Weisheit des Großdoktors Gamaliel. In diesem Manne war den Juden nach soviel Fährnissen ein großer Führer erstanden, vergleichbar dem Esra und dem Nehemia. Zuerst hatten die römischen Gemeinden gefürchtet, ein so junger Herr werde sich in dieser schwierigen Lage zu Unüberlegtheiten hinreißen lassen. Allein Gamaliel verband die Kraft eines jungen mit der Weisheit eines alten Mannes. Mit wie fester Hand hält er die auseinanderstrebenden Juden zusammen. Mit welch meisterlicher Taktik hat er diese Minäer, deren unsinnige Propaganda die Römer immer von neuem gegen die Juden aufbrachte, aus der Gemeinschaft hinausgedrängt. Wie schmiegsam weiß er bei aller Autorität seine Theorie den Forderungen der Wirklichkeit anzupassen. Und Cajus Barzaarone erzählt ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung. Da der Großdoktor so streng auf die Befolgung der Riten hielt, hatten die orthodoxen Hitzköpfe in Rom einen neuen Vorstoß gegen ihn, Cajus Barzaarone, gewagt, hatten die alte Geschichte mit den Tierornamenten an seinen Möbeln aufgewärmt, hatten versucht, ihn auf dem Umweg über Jabne zu stürzen. Aber der junge, weise Gamaliel hatte ihren Umtrieben schnell ein Ende gemacht. Selbstverständlich ist es besser, die erste Möbelfabrik Roms bleibt in jüdischen Händen, auch mit Tierornamenten, als daß das Präsidium der einflußreichen Tischlergewerkschaft an einen Goi übergeht. Ein weiser Gesetzeslehrer, ein großer Politiker.
Keine Rede war mehr davon, daß man einmal geschwankt hatte, ob man dem neuen Bethaus am linken Tiberufer noch den Namen des Josef geben könne. Vielmehr lud ihn Doktor Licin dringlich ein, die Fortschritte des schönen Baus bald zu besichtigen.
Eine schwere Sorge fiel von Josef ab. Wie die Dinge jetzt liegen, werden die römischen Juden seiner neuen Ehe mit Mara sicher keine Schwierigkeiten bereiten.
Er ging zu Alexas. Es war keine leichte Aufgabe, diesem Manne, dem er befreundet war, mitzuteilen, was er mit Mara verabredet hatte. Der Glasfabrikant empfing ihn mit großer Spannung, fragte ihn nach allen Kleinigkeiten des judäischen Lebens; aber er zögerte, die Rede auf Mara zu bringen, offenbar hatte er Angst davor, und Josef selber drückte herum.
Sie saßen lange. Als sie über Judäa nichts mehr zu sprechen wußten, sprachen sie von Rom.
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