Die Söhne.
dachte er auch daran, daß jetzt die Stadt Emmaus wohl keine Einwände mehr gegen die Eingemeindung seiner Güter haben werde, und er freute sich, daß er seinen Einfluß bei Flavius Silva nicht für seine privaten Zwecke gebraucht hatte, sondern für den gemeinen Nutzen der Juden.
»Nein, ich habe es nicht gewollt«, versicherte jetzt, nochmals, der Kaiser. »Und warum überhaupt hat euer Jahve sein Haus nicht beschützt und hat es zugelassen, daß an jenem Tag gerade dieser Pedan zur Übernahme der Befehlsausgabe kommandiert wurde? Ich finde, euer Gott hat sich nicht fair gegen mich benommen. Selbst wenn Valens recht hat und ich wieder hochkomme, euer Jahve hat mir mein Leben kaputtgeschlagen. Sie hätte die Stufen seines Tempels hinaufgehen sollen, und er hat gemacht, daß es die Stufen des Palatins waren.
Genug davon«, unterbrach er sich plötzlich und versuchte den Ton zu ändern. Josef, bei diesem veränderten Ton, schrak auf aus seiner Versunkenheit und schaute auf die Wasseruhr. Die zwanzig Minuten waren längst vorbei. Aber mochte der, der die Macht hatte, tun, was ihm beliebte: vorläufig, jetzt, war er bei Titus, und er hatte noch gar nicht von seinem eigenen Anliegen gesprochen.
»Sie haben die Prinzessin Lucia schon gesehen?« schwatzte in frischerem, leichterem Ton der Kaiser weiter. »Ist sie nicht großartig? Ist sie nicht das ganze Rom? Sie ist ein starker Halt.« Wieder schaute er nach der Stelle, wo einmal das Bild gehangen war. »Eine Berenike allerdings ist sie nicht«, lächelte er. Und wiederum den Ton wechselnd, ernsthaft, sachlich, abschließend, konstatierte er: »Hören Sie, Flavius Josephus, mein Geschichtsschreiber, ich habe zwar das Vertrauen meiner Römer gewonnen und bin die ›Liebe und Freude des Menschengeschlechts‹: aber meine eigene Freude, die große Chance meines Lebens, habe ich verloren.«
Dann, höflich, gütig, fragte er Josef nach seinem Begehren. Nickte, lächelte, lachte, klatschte einen Sekretär herbei, und in einer Minute war die Einbürgerung der Mara, Tochter des Lakisch, zur Zeit wohnhaft auf dem Vorwerk »Brunnen der Jalta« bei der Stadt Emmaus, geregelt, wie Marull und Josef es wünschten.
Josef aber, als er den Palatin verließ, konnte kaum die rechte Freude über diesen günstigen Ausgang aufbringen. Noch lange verwirrten ihn die sonderbaren Reden des Kaisers.
Dorions Tage waren ausgefüllt. Sie besuchte mit ihrem Freunde Annius Bassus die Veranstaltungen, bei denen eine Frau von Welt sich zeigen mußte. Sie baute weiter an ihrer Villa in Albanum, die um ihrer Architektur, ihrer Inneneinrichtung willen weit gerühmt war. Sie liebte Komfort, sie hatte eine tiefe Freude an den schönen Dingen des Lebens, und wenn sie an das düstere, verwilderte Haus im sechsten Bezirk zurückdachte, hatte sie alle Ursache, sich glücklich zu schätzen. Auch war es kein schlechter Tausch, statt des schillernden, unsichern Josef den Obersten Annius Bassus zum Freund und Beschützer zu haben. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Titus seinem Bruder Platz macht, und es besteht begründete Aussicht, daß dann Annius Chef der Garde wird, nach Domitian der einflußreichste Mann im Reich.
Trotzdem war Dorion seit ihrer Trennung von Josef sprunghafter, reizbarer als früher und zeigte vor allem ihrem Freunde Annius ein spröderes Gesicht. Annius liebte die Frau und nahm ihre Launen gelassen hin. Allein als einem Mann der Ordnung war es ihm unlieb, daß sie noch immer nicht das römische Bürgerrecht besaß, und er drängte darauf, ihre Beziehungen zu legalisieren. Doch Dorion entschloß sich nicht, die paar Formalitäten auf sich zu nehmen, die zu einer vollgültigen Eheschließung nötig waren, und wich seinen Bitten unter nichtigen Vorwänden aus.
Daß Josef ihr den Sohn zurückschickte, hatte sie aus ihrem Gleichgewicht geworfen, und monatelang war ihr kein Tag vergangen, ohne daß sie ihn wild gehaßt und brennend geliebt hätte. Sie hatte aufgeatmet, als er dann nach Judäa reiste. Er sollte nur zurückgehen in seine lächerliche, barbarische Provinz, dorthin gehörte er. Ihre Beziehungen zu Annius waren ausgeglichener geworden, vertrauter, und als er ihr zu Ende des Sommers sein kleines Stadtpalais zum Geschenk anbot, nahm sie an und übersiedelte für den Winter nach Rom.
Einmal, bald nach Josefs Rückkehr, bei einer großen Rezitation des Dio von Prusa im Friedenstempel, sah sie ihren früheren Mann. Er kam ihr verändert vor,
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