Die Söhne.
vergnügt, sagte er den Massen am Straßenrand; es sei heute ein heißer Tag, das
mache durstig, das sei gut für die Latrinensteuer.
Seinen Hauptspaß aber hielt Demetrius Liban noch zurück. Soll er ihn überhaupt machen? Immer wieder faßte ihn Furcht vor seinem eigenen Mut. Jetzt aber sah er auf einer der Tribünen den Kollegen Favor, den Ersten Schauspieler der Epoche, den Nichtskönner, um dessentwillen dieser Tote ihn aus dem Licht in den Schatten gedrängt hat. Da packte es ihn, und das Herz trat ihm auf die Zunge. Mit derben Schritten machte er sich Bahn bis zum Intendanten der Schauspiele, wartete, bis es ganz still wurde, und, auf den Scheiterhaufen und die Pracht des Leichenzuges weisend, mit lauter, knarrender Stimme, fragte er: »Sagen Sie, Herr, wieviel haben Sie denn nun für den ganzen Zauber ausgeworfen?« – »Zehn Millionen«, antwortete wahrheitsgemäß der überraschte Intendant. Da grinste Demetrius-Vespasian schlau über sein hartes Bauerngesicht, stieß den andern in die Seite, streckte ihm die Hand hin, blinzelte, schlug ihm vor: »Gebt mir hunderttausend und schmeißt mich in den Tiber.«
Einen Augenblick stutzte man, dann aber pruschte man heraus, die Zuschauer am Straßenrand, die Senatoren auf der Tribüne; selbst die spalierbildenden Soldaten der Leibgarde konnten sich des Lachens nicht enthalten. Dröhnendes Gelächter war von einem Ende des Platzes bis zum andern.
Den Juden auf der Tribüne aber, trotzdem sie sich der anstekkenden Heiterkeit nicht entzogen, kamen sogleich Bedenken. Liban ist ein ausgezeichneter Schauspieler, meinten die einen, sein Witz ist gut, und er darf ihn sich leisten. Nein, meinten die andern, ein Jude muß Rücksicht nehmen, und es wird peinliche Folgen haben. Und ja und nein, und sie waren voll Anerkennung und priesen den Demetrius, und sie schüttelten sorgenvoll die Köpfe und schimpften.
Jetzt aber war der Zug am Scheiterhaufen angelangt. Man erstieg die Pyramide, setzte die Bahre auf dem obersten Stockwerk nieder. Titus öffnete dem Toten die Augen, er und Domitian küßten ihn, sie blieben bei ihm, während unten ein Regiment der Garde mit Tuben und Hörnern ein letztes Mal vorbeizog. Dann stiegen sie hinunter und zündeten, abgewand ten Gesichtes, den Scheiterhaufen an. In dem Augenblick, da die Flamme hinausschlug, schwang sich vom Giebel des obersten Stockwerks ein Adler in die Luft.
In wenigen Minuten stand die Pyramide in Feuer. Die entzündeten Massen des Parfüms verbreiteten einen ungeheuren, betäubenden Geruch. Die Zuschauer aber, nicht abgehalten von Hitze und Geruch, drängten vor, zerrissen das Spalier der Garde. »Leb wohl, Vespasian, leb wohl, du sehr guter, sehr großer Kaiser. Sei gegrüßt, Gott Vespasian«, riefen sie, stürzten zum Scheiterhaufen, warfen letzte Gaben in die Flammen, Kränze, Kleider, abgeschnittene Haarlocken, Schmuck. Ein Taumel ergriff sie, halb gespielte Trauer, halb echte, sie schrien, die Hörner und Tuben klangen, noch sah man den Adler in der Luft.
Auf seiner Tribüne der dickliche Finanzmann Claudius Regin schaute aus seinen schweren, schläfrigen Augen unter der vorgebauten Stirn in das Getümmel. Vielleicht spürte unter den Hunderttausenden allein er wirkliche Trauer. Ohne viele Worte zu machen, hatte der römische Kaiser niemanden als diesen Halbjuden in seine geheimen Sorgen und Freuden hineinschauen lassen. Vermutlich wußte niemand besser als er um die Schwächen des Toten, doch niemand besser auch um seine kluge Sachlichkeit, seinen trockenen, witzigen Verstand, seinen tiefen Blick fürs Menschliche. Claudius Regin verlor in ihm einen Freund. Mit seinen schweren Beinen schnell und mühevoll wackelte er herunter von der Tribüne, in die Hitze um den Scheiterhaufen hinein, schrie mit den andern, riß sich die Schuhe ab, schmiß sie in die Flammen.
Es wuchs die Hitze, das Geschrei, der Taumel. Selbst die große, römische Lucia konnte sich nicht halten, sie zerfetzte ihr schwarzes Gewand, warf die Fetzen in die Flammen, ihre linke Brust mit der kleinen Narbe darunter war bloß. »Leb wohl, Kaiser Vespasian. Sei gegrüßt, Gott«, schrie sie mit den andern.
Sehr schnell brannte die Pyramide nieder. Die glimmenden Kohlen wurden mit Wein gelöscht, dann sammelte man die Gebeine, begoß sie mit Milch, trocknete sie an Linnen ab, legte sie, mit Salben und Wohlgerüchen vermischt, in eine Urne. Gleichzeitig aber, in einer kleinen Höhlung, die im Mausoleum des Augustus
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